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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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ein rissiges Stück Pergamentpapier, das sie dem Zeremonienmeister übergab.
    »Monsieur le President de la Republique« , verkündete der Zeremonienmeister.
    Kurz ließen sich die vornehmen Gäste zu einem begeisterten Raunen hinreißen und bildeten dann ei-ne ordentliche Reihe. Zu seiner großen Erleichterung stellte Guy fest, daß ihn alle völlig vergessen hatten.
    De Nesle trat vor, übers ganze Gesicht strahlend, um den Gästen die Hände zu schütteln. Als er an Guy vorbeikam, zischte er aus dem Mundwinkel heraus: »Geh durch die Tür zurück, durch die du hereingekommen bist, und zwar schnell!« Und stolzierte dann weiter, als wäre nichts geschehen.
    Guy brauchte keine zweite Einladung. Obwohl auf der Tür Defense d’entrer stand, trat er hindurch und fand sich in John de Nesles eigentümlichem Arbeitszimmer wieder. Er ließ sich in einen Sessel fallen und begann am ganzen Körper zu zittern.
    »Ich habe dich ja gewarnt.«
    De Nesle stand plötzlich über ihm und lächelte ihn beruhigend an. Ein kleiner Teil von Guys Verstand spielte ernsthaft mit dem Gedanken, ihn mit dem Revolver zu bedrohen, wurde aber von der Mehrheit überstimmt. Deshalb legte er die Waffe auf den Tisch, doch anstatt etwas zu sagen, gab er nur einen kurzen Wimmerlaut von sich.
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    »Keine Angst«, fuhr de Nesle fort, »ich habe denen gesagt, du seist ein neuer und noch etwas übereifriger Sicherheitsbeamter.«
    Guy fielen sogar wieder ein paar Worte ein – zwar wären sie nicht seine allererste Wahl gewesen, aber immerhin waren sie da –, und er fragte: »Bist du et-wa der Präsident der Republik?«
    »Um Himmels willen, wo denkst du hin?« widersprach de Nesle. »Politik interessiert mich nicht die Bohne, und wenn doch, dann nur am Rande. Ich denke, du solltest lieber noch einen Becher trinken, findest du nicht?«
    Dieses Mal hatte Guy das Gefühl, sich zu weigern wäre unhöflich; außerdem brauchte er bei seiner trockenen Kehle dringend etwas zu trinken, ob die Wespe nun tot war oder nicht. Zu seiner freudigen Überraschung zauberte de Nesle aus einer Schreib-tischschublade jedoch eine Flasche Brandy hervor und schenkte damit zwei kugelförmige Gläser fast bis zum Rand voll.
    »Du mußt schon entschuldigen, daß ich dir eben Met angeboten habe«, fuhr de Nesle fort. »Ich hatte völlig vergessen, daß ihr Met gar nicht mehr trinkt, und an den Geschmack von dem Zeug muß man sich wirklich erst gewöhnen. Zum Wohl.«
    De Nesle nahm einen kräftigen Schluck, und Guy folgte seinem Beispiel. Der Brandy war sehr gut.
    »So, dann wollen wir mal.« De Nesle setzte sich auf den Schreibtischrand und fuhr sich grinsend mit dem Glasrand über den schmalen Oberlippenbart.
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    »Es tut mir wirklich leid, falls ich dir Umstände bereitet haben sollte.«
    »Nicht der Rede wert«, hörte sich Guy aus reinem Reflex sagen.
    »Unsinn«, widersprach de Nesle. »Wenn du nicht so nett gewesen wärst, mich mitzunehmen – ach, laß mich mal eben sehen, ob der Anruf für mich angekommen ist.« Er drückte einen Knopf, der sich an einer merkwürdigen Kiste befand, die mit dem Telefon verbunden war, und fuhr dann fort: »Nichts, so ein Mist. Nun, wenn du jedenfalls nicht so nett gewesen wärst, mich mitzunehmen, dann hättest du dir diesen ganzen Ärger hier erspart.« Vertrauensvoll flüsternd fügte er hinzu:
    »Allerdings fürchte ich, du wärst ins Meer ge-stürzt, weil du kaum noch Sprit gehabt hast. Kannst du eigentlich schwimmen?«
    »Nein.«
    »Na dann brauche ich ja kein allzu schlechtes Gewissen mehr zu haben. Trotzdem war es rückblickend ein wenig frech von mir, zumal dein Freund …
    na ja, tot gewesen ist. Unter solchen Umständen war das schon etwas geschmacklos von mir. Aber in der Not frißt der Teufel Fliegen, wie man so schön sagt.«
    »Aha.«
    »Jetzt ist erst mal am wichtigsten, daß ich dich dahin zurückbringe, wo du hinwillst. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob mir das überhaupt erlaubt ist – die da oben werden furchtbar sauer, wenn ich mich in Dinge einmische, die mich in Wirklichkeit nichts ange-43
    hen –, aber wenn man nicht mal mehr jemandem aus der Patsche helfen darf, was soll das dann alles noch?
    sage ich immer. Wo möchtest du denn am liebsten hin?«
    Guy atmete tief durch. »Wäre London zuviel verlangt?«
    »Auf keinen Fall«, antwortete de Nesle. »Irgendeine bestimmte Stelle in London, oder soll ich dich einfach direkt am Trafalgar Square absetzen?«
    »Sicher, am Trafalgar Square wäre hervorragend.«
    »Na

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