Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
das wird nicht ganz einfach«, seufzte de Nesle mit betrübter Miene. »Ich würde dich ja gern begleiten, aber ich erwarte leider diesen äußerst dringenden Anruf. Glaubst du, du könntest allein … ?«
    37
    »Nein.«
    John de Nesle dachte kurz darüber nach. »Wenn ich es mir genau überlege, schaffst du das wahrscheinlich nicht allein. Tut mir leid, falls ich mich etwas grob angehört haben sollte, aber sobald man mich bedroht, reagiere ich etwas gereizt.«
    Allmählich verstand Guy gar nichts mehr. »Hör mal, was wird hier eigentlich gespielt?«
    John de Nesle antwortete grinsend: »Ich muß schon sagen, du stellst wirklich die absurdesten Fragen. Darf ich davon ausgehen, daß du es in Wirklichkeit gar nicht wissen willst?«
    »Also gut«, resignierte Guy. »Laß mich hier raus, und dann ist alles in Ordnung. Du mußt mich nicht mal begleiten, zeig mir einfach die Tür.«
    »Ich rate dir aber …«
    »Ich pfeife auf deine Ratschläge.«
    De Nesle zuckte die Achseln. »Ganz, wie du möchtest. Wenn du hier raus willst, mußt du nur durch die Tür hinter dir gehen.«
    Guy runzelte argwöhnisch die Stirn, da er vermu-tete, durch eine List dazu gezwungen zu werden, den Kopf nach hinten umzudrehen. In solch prekä-
    ren Situationen galt es, den Blickkontakt aufrechtzuerhalten. Deshalb langte er mit der freien Hand nach hinten und entdeckte tatsächlich einen Tür-knauf.
    »Diese Tür?«
    »Ja. Trotzdem riete ich dir …«
    Guy öffnete die Tür, trat rückwärts hindurch und 38
    verschwand. Die Tür, auf der Privat – Zutritt nur für Personal stand, schloß sich hinter ihm.
    »So ein Mist!« fluchte de Nesle.
    Er blickte auf die Uhr, eine Rolex Oyster, die er unter dem Ärmel dieses stählernen Kettenhemds trug, runzelte nachdenklich die Stirn und nahm schließlich das Mikrofon des Anrufbeantworters in die Hand.
    »Guten Tag, hier spricht John de Nesle«, sagte er mit jener gezwungenen Leichtigkeit ins Mikrofon, wie sie zu solchen Anlässen von den meisten Menschen vorgeschützt wird. »Leider kann ich Ihren Anruf zur Zeit nicht entgegennehmen. Nach dem Pfeif-ton hinterlassen Sie bitte die genaue Zeit, zu der Sie angerufen haben, und ich werde es dann so arrangieren, zu genau diesem Zeitpunkt hier zu sein. Danke.«
    Er stellte den Anrufbeantworter an, holte unter dem Schreibtisch ein Schwert hervor und ging durch die Tür.
    Guy befand sich auf einer Party.
    In Wirklichkeit handelte es sich eher um einen Empfang. Während er Sekundenbruchteile vor seinem Erscheinen, den Revolver schwingend, rück-wärts hinausging, glaubte Guy, verschiedensprachige Stimmen und das typische, fast hyänengleiche Kreischen von Diplomatenfrauen zu hören, die über die Witze von Handelsattachés lachten.
    Er erstarrte.
    Die Männer, die er sah, trugen allesamt Smokings, 39
    die Frauen elegante Abendkleider. In den Händen hielten sie Weingläser. Kellnerinnen trugen Tabletts mit kleinen Fischstücken und winzigen Wurstspie-
    ßen. Eine Kapelle spielte nicht auf.
    Eine Frau schrie vereinzelt auf. Als Engländer und Angehöriger einer bestimmten Gesellschaftsschicht, der dazu erzogen worden war, daß es nur ein Verbrechen gab, das einem selbst Gott nicht verzieh, nämlich in der Öffentlichkeit aufzufallen, fühlte er sich entsprechend unwohl. Zwar versuchte er zu lächeln, mußte aber feststellen, daß er erhebliche Probleme mit der Gesichtsmotorik hatte, und blickte verlegen auf den Revolver, der auf den dritten Westenknopf eines korpulenten großen Gentlemans zeigte, der nach Guys fester Überzeugung ein Charge d’affaires war, also Chef einer diplomatischen Mission.
    Mehr als ein »Ähm« brachte Guy nicht heraus.
    »M’sieur?« erkundigte sich der Charge d’affaires, und bei dem Tonfall, in dem er dies – und zudem noch auf französisch – gesagt hatte, verzogen sich Guys Eingeweide. Guy war kein Sprachgenie, und allein der Gedanke, sich zu entschuldigen oder in einer fremden Sprache ›Tut mir leid, aber ich dachte, das hier sei der Kostümball‹ sagen zu müssen, war zuviel für ihn. Die Zunge klebte ihm derart fest am Gaumen, daß er keinen Pieps, geschweige denn einen vernünftigen Satz hätte hervorbringen können.
    Er war kurz davor, sich zu erschießen, da dies die einzig akzeptable Möglichkeit für ihn war, sich aus dieser peinlichen Situation zu befreien, als hinter ihm 40
    eine vertraute Gestalt auftauchte. Die Gestalt trug eine rot-gelbe Hose und ein Kettenhemd, in einer Hand hielt sie ein Schwert, in der anderen

Weitere Kostenlose Bücher