Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
prima. Und wann?«
»Wie?«
»Wann möchtest du dort ankommen?«
Guy runzelte leicht die Stirn. »Na ja, vielleicht jetzt sofort, wenn das kein Problem …«
De Nesle zog eine Augenbraue hoch und zeigte auf einen Kalender an der Wand. »Bist du dir sicher?«
Guy schaute auf den Kalender. Es war einer von diesen mechanischen Dingern, und die kleinen Wal-zenräder mit den Ziffern, die Tag, Monat und Jahr anzeigten, drehten sich mit einer Geschwindigkeit wie die Trommeln eines einarmigen Banditen, so daß man sie nicht lesen konnte.
»Das hat nicht viel zu bedeuten. Weißt du, wir sind im Chastel de Temps Jadis, und hier kommt es ganz darauf an, was man aus der Zeit macht.«
In Guys Hinterkopf meldete sich ein ausgesprochen dämlicher Gedanke zu Wort und verkündete allen, die ihm zuhörten, daß er womöglich gar nicht 44
so dämlich sei, wenn er nur einmal in Ruhe ausgesprochen werden würde.
Guy gehorchte und fragte: »Willst du mir etwa damit sagen, daß das so etwas wie eine … eine Zeit-maschine ist?«
De Nesle grinste. »Nun, genaugenommen lautet die Antwort auf deine Frage: nein. Aber du bist nahe dran. Mal ehrlich, in Wirklichkeit ist es dir doch viel lieber, wenn ich es dir nicht erkläre, stimmt’s?«
Guy nickte.
»Gut.« De Nesle blickte ihn zustimmend an.
»Aber zurück zu deinem Problem. Ich nehme an, du meinst von heute an den sechsten Juli neunzehnhun-dertdreiundvierzig, richtig?«
»Ja, wenn’s geht …«
»Nichts einfacher als das.« De Nesle stand auf und drückte auf der Schreibmaschinentastatur einige Tasten.
Auf der Glasscheibe flackerten erneut diese grünen Lichtpunkte auf und erloschen dann wieder, gleich darauf war dort zu lesen: 06.07.1943; #8765 A7.
De Nesle ging zu der Tür, die wenige Minuten zuvor zu dem diplomatischen Empfang geführt hatte, und stieß sie auf.
»Folge mir.«
Im selben Augenblick wurde die andere Tür geöffnet, und ein Mädchen kam herein. Sie stellte eine Tasse auf dem Schreibtisch ab, deren Inhalt wie Kaffee aussah, sammelte die beiden Weinbrandschwenker ein, lächelte Guy strahlend an und ging wieder hinaus.
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»Ähm … einen Moment noch!« rief Guy de Nesle hinterher.
Als Julius der Dreiundzwanzigste als der hunder-tundneunte Gegenpapst eingesetzt wurde, erhoben seine unterlegenen Rivalen etliche Einwände, die in erster Linie auf den beiden unbestrittenen Tatsachen beruhten, daß er früher unter dem Namen Julius der Zweite Papst von Rom gewesen und folglich mittlerweile längst tot war.
Julius behandelte diese Einwände mit der ihnen gebührenden Verachtung. Als er erst einmal seinen Palast Chastel des Larmes Chaudes bezogen hatte, gab er eine päpstliche Bulle heraus, in der klarge-stellt wurde, daß er alles andere als tot sei – wie kön-ne es sonst wohl angehen, daß er allmorgendlich dreißig Längen im päpstlichen Swimmingpool zu-rücklege –, und wenn er sich dazu entschieden habe, jeden Tag aus seinem Zuhause des sechzehnten Jahrhunderts anzureisen, dann täte er genaugenommen nur das, was für Millionen von Pendlern auf der ganzen Welt gang und gäbe sei. Und was den zweiten Einwand angehe, so liege der exakte Zeitpunkt, zu dem er pendle, genau eine Woche vor seiner Wahl auf den Heiligen Stuhl, so daß er noch gar kein Papst gewesen sei, und es wäre ein grundlegender Verstoß gegen die Naturgesetze, wenn die Regeln, nach denen er zum Gegenpapst gewählt worden sei, rückwirkend keine Gültigkeit mehr hätten. Dann ließ er dieses Bulletin von seiner gegenpäpstlichen Leibgar-46
de verbreiten, die sämtliche enttäuschten Mitbewer-ber persönlich aufsuchten, um jeden einzelnen von ihnen in aller Ruhe davon zu unterrichten – gewöhnlich gegen drei Uhr morgens und mit großen Äxten in den Händen.
Wie selbst Julius’ Feinde einräumen mußten, verstand er etwas davon, seinen Verlautbarungen den gebührenden Nachdruck zu verleihen.
Als er sich im Chastel des Larmes Chaudes sicher wähnte, machte er sich erst einmal daran, die dringendsten Aufgaben zu erledigen, nämlich das Chaos zu bereinigen, das ihm sein Vorgänger, der glücklose Wayne der Siebzehnte, aus dessen Amtszeit hinterlassen hatte.
Von den Problemen, mit denen er konfrontiert wurde, stellte Johann der Zweite de Nesle sicherlich das größte dar.
»Ich meine, dieser Mann ist wirklich eine Nervensäge«, stellte er gegenüber seinem Hofgeistlichen fest, einer zeitlosen Gestalt namens Wappenkönig Mountjoy.
»Er ist völlig außer Kontrolle geraten und rast
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