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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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angelangt ist, steht einem zwar nur ei-ne begrenzte Produktpalette zur Verfügung, doch wenn man im alleinigen Besitz der Vermarktungs-rechte ist, dann …«
    »Und besitzen wir die Exklusivrechte?« warf Iachimo ein.
    »Und ob wir die besitzen.« Giovanni grinste. »Hol noch einen Krug von diesem Zeug, Marco, ja? Ich denke, wir haben einen Grund zum Feiern.«
    Die Beaumont Street-Personengesellschaft hatte das Problem der Aufgabenteilung bezüglich des Managements längst gelöst. Giovanni war fürs Denken verantwortlich, Iachimo für die Bücher, Marco für den Getränkenachschub. Gewöhnlich mußte Marco auch zahlen.
    »Was letztendlich darauf hinausläuft«, fuhr Giovanni fort, nachdem sein Becher wieder gefüllt war,
    »daß vom vermögensverwalterischen Standpunkt her ein toter Trottel noch besser als ein lebendiger Trottel ist. Prost.«
    »Trotzdem ist es irgendwie schade, daß er tot ist«, seufzte Iachimo. »Er hat ein paar wirklich schöne Lieder gemacht.«
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    »Allerdings hat er das«, stimmte Giovanni ihm zu.
    »Und es gibt keinen Grund, weshalb er nicht noch viel mehr Lieder schreiben sollte.«
    »Aber er ist doch …«
    »Ich weiß, Marco«, sagte Giovanni geduldig.
    »Aber heute morgen war er doch noch am Leben, ha-be ich recht? Also müssen wir nur in die Zeit zurückkehren, als er noch am Leben war, ihn dazu bringen, uns etwas vorzusummen, und das war’s schon. Also spricht nichts dagegen, daß wir unendlich lange so weitermachen können, und das alles, ohne Tantiemen oder Lizenzgebühren zahlen zu müssen.«
    Marco blickte von seinem Getränk auf, von dem er sich das meiste auf die Krawatte geschüttet hatte.
    »Nein, da irrst du.«
    Seine beiden Brüder blickten ihn verdutzt an.
    »Und wieso?« wollte Iachimo wissen.
    »Er ist doch in einen Zeitrutsch gefallen, nicht?«
    Die beiden anderen nickten. »Na, dann ist es doch logisch, daß er nicht mehr auftauchen kann, oder?«
    »Laß ihn, Iachimo«, winkte Giovanni ab, »bis heute hat er noch nicht einmal begriffen, was ein Donnerstag ist.«
    »Nein, hört doch mal«, protestierte Marco. »Wenn er in einen Zeitrutsch gefallen ist, dann ist es doch logisch, daß er in der Zeit ertrunken ist. Freigeister.
    Zeitwächter.« Marco bemühte sich angestrengt, seine Gedanken zu ordnen – was ungefähr genau so viele Probleme aufwarf, als würde man Hugo von Hof-mannsthals Opernlibretto Die Frau ohne Schatten mit 193
    Vorschulkindern inszenieren – und fragte schließ-
    lich: »Woraus besteht eigentlich so ein Zeitrutsch?«
    Giovanni war bereits ungeduldig geworden, besann sich aber eines Besseren und antwortete: »Aus instabiler Zeit. Wie Lava aus einem Vulkan, könnte man sagen.
    Na und?«
    »Alles, was von einem Zeitrutsch verschluckt wird, geht praktisch in den Archiven unter, stimmt’s?« bohrte Marco unaufhaltsam weiter. Dann blickte er auf, weil er damit rechnete, von seinen Brüdern unterbrochen zu werden, aber zum erstenmal hörten ihm beide geduldig zu. Er lächelte zufrieden, denn das machte richtig Spaß.
    »Und alles, was in den Archiven verschwindet, hat praktisch nie existiert, richtig? Wenn Blondel also dort gelandet ist, dann hat es ihn auch nie gegeben.«
    »Du meine Güte«, murmelte Giovanni leise vor sich hin.
    »Und wenn es ihn nie gegeben hat«, fuhr Marco unbeirrt fort – es war fast so, als sähe man eine Schnecke eine Wand hinaufkriechen, wenn man Marco beim zusammenhängenden Reden zuhören mußte –, »dann kann er auch nie eins dieser Lieder geschrieben haben.
    Was bedeutet, daß seine Lieder nicht mehr existieren.
    Und das bedeutet zunächst einmal, daß es sie auch nie gegeben hat. Und das wiederum bedeutet … Wohin gehst du, Giovanni?«
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    »Hol deinen Mantel.«
    »Aber Giovanni, ich …«
    »Ich habe gesagt, hol deinen Mantel!«
    Marco schnitt eine wütende Grimasse, aber das war sinnlos; die beiden hörten ihm sowieso nicht mehr zu, und er holte gehorsam seinen Mantel.
    »Und das hier sind Blondel, meine Schwester und ich in Deauville«, sagte La Beale Isoud. Sie äugte scharf auf das Foto und fügte hinzu. »Sommer vier-zehnhundertachtunddreißig. Seit damals hat es sich dort natürlich stark verändert.«
    »Ah ja.« Allmählich beschlichen Guy ernste Zweifel, ob er sich wirklich in La Beale Isoud verliebt hatte.
    Sie schien genügend Fotoalben zu besitzen, um damit wenigstens siebzig Jahre Ehe ausfüllen zu können.
    »Ähm … ich …«
    »Und das hier sind Blondel, meine Schwester Mahaud, meine Schwester

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