Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
ordentlich ausgedrückt hatte, öffnete er die Tür und trat hindurch.
    Hinter der Tür stellten sich die Dinge schon ganz anders dar. Zum einen war dort Licht, viel davon kam von einer ganzen Batterie weißer Bogenlampen, die an einem Gerüstturm hingen, der inmitten etlicher Baubaracken und eines riesigen Maschinenparks stand.
    Außerdem flackerte dort eine riesige Flamme, die stark an eine brennende Ölquelle erinnerte, zumal sie aus einem Loch aufstieg, das sich in etwas befand, das man getrost als Erdboden bezeichnen konnte –
    obwohl Flaubert mit seiner wissenschaftlichen Ge-nauigkeit bestimmt einen treffenderen Ausdruck da-für gefunden hätte. Offensichtlich handelte es sich um eine jener illegalen Bohrstationen, die den Zeit-185
    wächtern so furchtbar viel Kopfzerbrechen bereite-ten. Wie ungeheuer günstig.
    Überall rannten Männer mit Overalls und Schutz-helmen herum, und Blondel hatte keine Schwierigkeiten, sich unauffällig einzufügen. Er schnappte sich ein herumliegendes Klemmbrett und spazierte damit eine Weile über das Gelände, wobei er so tat, als würde er sich langweilen. Nach der ersten halben Stunde brauchte er sich nicht einmal mehr sonderlich anzustrengen, um Langweile vorzuschützen.
    Als er die gewaltige Lautsprecheranlage entdeckte, hatte er einen Einfall, der schnell zur fixen Idee wurde.
    Wäre es nach ihm gegangen, hätte er irgendwie die Zeit totgeschlagen, bis er mit dem Bus – oder womit die Arbeiter nach der Schicht wieder an die Oberfläche gebracht wurden – mitgefahren wäre, um dann seines Wegs zu gehen. Doch zwang ihn seine fixe Idee dazu, das Büro der Bauleitung aufzusuchen, den Mann ausfindig zu machen, der das Mikrofon bediente, ihn mit einem Feuerlöscher in Schach zu halten und über die Lautsprecheranlage L’Amours Dont Sui Epris zu singen.
    Unter normalen Umständen hätte er wahrscheinlich einen Weg gefunden, heil aus der Sache heraus-zukommen; schließlich hatte er schon in sehr viel vertrackteren Situationen als in dieser hier gesteckt, und war dennoch immer rechtzeitig nach Hause gekommen, um sich ›Cagney und Lacey‹ ansehen zu können.
    186
    Wie es das Schicksal aber nun einmal so wollte, geschah etwas, womit er überhaupt nicht gerechnet hatte.
    Jemand begann die zweite Strophe zu singen.
    »Danke«, sagte Guy.
    »Milch?«
    Guy nickte. La Beale Isoud nahm ein Kännchen aus feinstem Porzellan und schenkte ihm etwas Milch ein.
    »Zucker?«
    »Ja, danke. Hören Sie, ich …«
    »Wieviel?«
    »Wie bitte?«
    »Wie viele Würfel möchten Sie? Einen? Zwei?«
    Guy sammelte erst einmal seine Gedanken und konzentrierte sie auf das Wesentliche. »Zwei. Vielen Dank auch. Hören Sie, ich will Ihnen wirklich nicht auf die Nerven gehen, aber ich …«
    Isoud blickte ihn erwartungsvoll an, und Guy begriff sofort, daß sie ihm nun etwas zu essen anbieten wollte.
    Wenn er die Kekse ablehnte, würde sie ihm gleich darauf Kuchen anbieten. Der Klügere gibt nach; also lieber keinen Widerstand leisten und es einfach hinter sich bringen.
    »Möchten Sie Kekse?« fragte La Beale Isoud. Guy nickte und wurde mit Ingwerkeksen belohnt. Damit schien die Versorgungsphase abgeschlossen zu sein.
    »Das schöne Wetter soll sogar noch besser werden«, meinte La Beale Isoud.
    187
    »Ach ja?« Erst jetzt stellte Guy fest, daß er in einem sehr niedrigen Sessel saß, und fragte sich, wie zum Teufel er überhaupt hierhergeraten war. Instinkt wahrscheinlich.
    »Interessieren Sie sich für Gärten, Mister Goodlet?« wollte La Beale Isoud wissen.
    Guy schüttelte den Kopf.
    »Wie schade«, fuhr La Beale Isoud fort, »denn wir haben dieses Jahr wunderschöne Chrysanthemen.«
    »Was geht hier eigentlich vor?« fragte Guy unvermittelt.
    Isoud rümpfte die Nase. »Wir trinken gerade Tee«, klärte sie ihn in schnippischem Ton auf. »Also beruhigen Sie sich erst einmal, und genießen Sie die schönste Zeit des Tages.«
    »Ja, gewiß doch«, lenkte Guy rasch ein und fügte hinzu: »Meine Mutter liebt Chrysanthemen über alles.«
    Das war zwar eine Lüge, aber mit etwas Glück würde Isoud nichts davon bemerken.
    »Noch Kekse?«
    »Ja, danke.« Guy beugte sich gemächlich ein Stück vor, nahm noch einen Keks und legte ihn zu dem anderen aufs Knie. Dann spielte er mit der Teetasse herum, wobei ihm einfiel, daß er seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen hatte.
    »Ich weiß leider nicht, wann mein Bruder kommt«, sagte La Beale Isoud. »Er ist nämlich immer furchtbar unpünktlich. Trotzdem ist er

Weitere Kostenlose Bücher