Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Ysabel und ich in Venedig.
Ysabel kann man leider nicht so gut erkennen, weil sie sich mal wieder bei der Aufnahme bewegt hat, typisch.
Sehen Sie, das da ist sie, hinter dem Bug der Gon-del.«
»Ah ja. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn …«
»Und das hier …« La Beale Isoud starrte ungläubig auf das Album. »Nein, das Foto ist ja noch gar 195
nicht aufgenommen worden. Das ist das Furchtbare an Blondel, andauernd bringt er alles durcheinander oder in die falsche Reihenfolge. Oh, sehen Sie nur, da sind ja sogar Sie drauf!«
Guy zuckte zusammen. »Ich?«
»Das hier sind Sie doch, oder? Sie stehen dort auf der Treppe vor der Kirche mit einem Blumenstrauß in der Hand. Und wer ist das da neben Ihnen?«
Guy nahm das Foto genauer in Augenschein. »Das ist mein Freund George«, staunte er. »Und wer ist das da?«
»Das ist meine Tante Gunhilde«, antwortete Isoud.
»Mittlerweile ist sie natürlich tot, aber sie kommt hin und wieder zu Besuch. Weihnachten, Ostern und natürlich auch zu Hochzeiten und anderen familiären Anlässen. Das ist das Schöne daran, wenn die ganze Familie Zeitreisen macht, man verliert nie die Verbindung zueinander.«
Guy musterte noch immer das Foto. »Wessen Hochzeit ist das eigentlich?«
»Keine Ahnung. Ach hier, sehen Sie? Ich glaube, das ist Mahaud, die in dem blauen Kleid. Blau hat ihr noch nie gestanden, aber sie will ja nicht auf mich hören.«
Guy merkte, wie seine Hand zitterte. »Es sieht ganz so aus, als wenn ich der Bräutigam wäre.«
»Ja, das könnte man annehmen«, pflichtete ihm Isoud bei. »So, und auf diesem Foto hier …«
»Und wer ist dann die Braut?« wollte Guy wissen.
»Das kann man nicht erkennen«, antwortete Isoud.
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»Auf dem Foto scheint sie nicht zu sein. Ach, sehen Sie?
Da ist auch meine Mutter. Du meine Güte! Was für einen Riesenhut die wieder mal aufhat …«
Guy stand plötzlich auf. »Nun, herzlichen Dank für den Tee. Falls es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich nicht mehr länger auf Blondel warten.« Es spürte, wie ihm der Schweiß über die Stirn lief. »Wenn Sie mir jetzt sagen könnten, wo der Zeittunnel ist, dann …«
»Wollen Sie wirklich gehen?«
»Ja, ich muß leider«, beharrte er. Bislang hatte er immer geglaubt, er sei zu jung zum Sterben, doch jetzt war er felsenfest davon überzeugt, daß er zu jung zum Heiraten war. »Diese Tür, richtig?« Er öffnete sie und trat hindurch. Gleich darauf kam er zu-rück, unmittelbar gefolgt von drei Regenmänteln, einem Hut und einem Schirm.
»Nein, das war der Garderobenschrank.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Durch welche Tür geht’s denn nun zum Zeittunnel?«
Isoud sah ihn mißmutig an. »Das weiß ich nicht.
Blondel kümmert sich immer um diese Dinge.«
»Aber Sie müssen doch wissen, wo …«
»Das ändert sich andauernd«, unterbrach sie ihn mit einem grimmigen Lächeln. »An einem Tag ist es die Tür zum Umkleideraum, am nächsten eine ganz andere.
Manchmal ist es gar nicht so einfach zu wissen, wo man seinen Mantel aufhängen soll.«
»Soso.«
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»Gar nicht zu reden von den leeren Milchflaschen.
Ich nehme an, irgendwo in der Zukunft gibt es eine Türschwelle, auf der Aberhunderte von unseren alten Milchflaschen stehen. Der Milchmann muß sich bestimmt schon fragen, was wir mit den ganzen Flaschen machen.«
»Höchstwahrscheinlich.« Guy spürte, wie sich ihm die Nackenhaare hochstellten. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich ein wenig umsehe, oder? Ich will nur …«
»Oh, sehen Sie nur, hier ist noch ein Foto von derselben Hochzeit. Oh, sehen Sie nur!« Isoud hob den Kopf und blickte ihn befremdlich an. »Mister Goodlet!«
»Auf Wiedersehen!« Guy öffnete entschlossen ei-ne Tür, stellte mit großer Erleichterung fest, daß auf der anderen Seite nichts zu sehen war, und ging hindurch.
Wenig später rief Isoud ihm hinterher: »Mister Goodlet, hören Sie mich? Sieht ganz so aus, als wä-
ren Sie in den Kohlenkeller gefallen.«
»Ja gut, aber können Sie es auch schaffen?« fragte Giovanni.
Der Mann kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf.
Dann fertigte er auf der Rückseite eines Umschlags eine Rohzeichnung an, die am Schluß fast wie der Eiffelturm aussah. Danach beschäftigte er sich eine Weile mit einem elektronischen Rechner, 198
wobei er hin und wieder auf einer Preisliste nach-schaute, auf der hinter jeder Zahl furchtbar viele Nul-len zu stehen schienen, und spuckte schließlich auf den Boden.
»Weiß nicht recht. Die Statik ist
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