Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
haben Sie nicht zufällig gesehen, oder?« blieb Blondel unermüdlich.
»Wen?«
»Egal, das war nur so ein Gedanke. Wie dem auch sei, ich wollte Sie wirklich nicht aufhalten. Vielen Dank noch mal für alles.« Blondel stand auf und stieg aus dem Boot.
»Warten Sie doch mal … !«
»Auf Wiedersehen.« Blondel winkte zum Abschied und ging los.
»Kommen Sie sofort zurück!« brüllte ihm der Mann hinterher. »Hören Sie, wie kommen wir hier raus?«
Blondel schaute sich noch einmal um und blickte ihn mit betrübter Miene an. »Gar nicht. Wahrscheinlich niemals. Tschüs.«
In Gedanken versunken, spazierte er eine Weile ziellos umher. Letztendlich war es logisch, in den Archive zu stranden, wenn man wie er in einen Zeitrutsch geraten war; möglicherweise hielt sich auch Guy irgendwo hier unten auf; allerdings höchstwahrscheinlich nicht im selben Archiv. Soweit er es beurteilen konnte, geisterte der arme Kerl jetzt irgendwo im trojanischen Krieg herum und schoß griechischen Helden die Helme vom Kopf. Blondel seufzte; er konnte jetzt sowieso niemanden gebrauchen, für den er das Kindermädchen spielen müßte. Wie komme ich hier bloß raus? fragte er sich nun selbst.
Eine ganze Weile dachte er ernsthaft darüber nach, doch fiel ihm nichts Gescheites ein, und er beschloß, sich davon nicht entmutigen zu lassen. Immerhin 182
wußte er, wo er sich aufhielt, und das war für ihn immer schon das wichtigste gewesen. Wenn man das erst einmal begriffen hatte, so ergab sich nach seiner langjährigen Erfahrung alles andere irgendwann von selbst. Er erinnerte sich an die Zeit, als er versehentlich auf der falschen Seite vom Tag des Jüngsten Gerichts herausgekommen war. Anfangs hatte sich die Situation als ganz schön haarig herausgestellt, doch am Ende war es ihm gelungen, sich mit Hilfe eines Schafskleids und mit sehr viel Charme ohne große Probleme daraus zu befreien.
Man konnte von ihm alles mögliche behaupten, aber ein Pessimist war er ganz bestimmt nicht.
In weiter Ferne sah er ein Licht und ging darauf zu.
Während er sich ihm näherte, wurden die Wellen unter seinen Füßen feucht und rochen unangenehm nach Chemikalien. Merkwürdig.
Quatschenden Schrittes ging er weiter, und schon bald stieß er auf ein weiteres Hinweisschild. Welche Leute auch immer dieses Archiv eingerichtet hatten, sie waren sehr gewissenhaft damit umgegangen, die Menschen auf dem laufenden zu halten.
LEBENSGEFAHR!
stand dort zu lesen und ein kleines Stück darunter in winzigen Buchstaben:
BAUARBEITEN
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Interessant. Blondel blieb stehen und kratzte sich am Kopf. Die Logik sagte ihm, daß es höchst unwahrscheinlich sei, hier unten jemanden anzutreffen, der sich um Ausbesserungs- oder anderweitige Arbeiten im Archiv kümmerte; wenn man erst einmal hier ist, dann bleibt man auch hier, und entweder sucht man einen Ausgang, oder man findet sich damit ab und gewöhnt sich daran. Daß es sich um irgendwelche industriellen Aktivitäten handeln könnte, sprach, gelinde gesagt, gegen jede Vernunft. Wenn man gerade aus der Geschichte gestrichen worden war, was bedeutete, daß man nicht mehr existierte, dann ist es gar nicht so einfach, sich etwas einfallen zu lassen, das die Lage, in der man sich befindet, noch ver-schlimmern könnte.
Etwa hundert Meter weiter tauchte schon wieder ein Hinweisschild auf. Darauf stand: KEIN ZUTRITT OHNE SCHUTZHELM
Blondel grinste; dann schnallte er sich den Gürtel ab und wickelte ihn sich um die rechte Hand. Wenn Leute nicht wollen, daß man irgendwo hineingeht, bedeutet das normalerweise, daß es dort etwas Loh-nenswertes zu sehen gibt.
Also schritt er weiter voran, doch plötzlich blieb er stehen und rieb sich die Nase; er war eben gegen eine unsichtbare Wand geprallt, was ihm allerdings trotz der schmerzlichen Erfahrung höchst vielversprechend vorkam.
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Sehr behutsam tastete er sich an der Wand entlang.
Als er etwas berührte, das ihm nach genauerer Untersuchung wie ein Torbogen vorkam, kauerte er sich nieder und wartete ab. Etwa eine Viertelstunde später wurde eine Tür geöffnet. Ein Mann kam heraus. Er trug einen Overall und einen Schutzhelm und zündete sich eine Zigarette an. Was immer sich hinter der Tür befand, offenbar war Rauchen dort nicht gestattet.
Unverhofft hatte Blondel einen Einfall: Er schlich sich langsam von hinten an, klopfte dem Raucher leicht auf die Schulter und schlug ihn k.o.
Zum Glück paßten ihm die Sachen des Manns fast wie angegossen. Nachdem er die Zigarette
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