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Wenn du lügst

Wenn du lügst

Titel: Wenn du lügst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Salter
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außer dir je Freunde hier hatte. Ihr zwei wart wie Pech und Schwefel.«
    »Es war die Stimme. Ohne sie hätte ich Jena vermutlich genauso wenig beachtet. Sie sah außergewöhnlich aus. Ich hätte diese Stimme den ganzen Tag lang betrachten können.« Selbst heute noch war Betsy einer der ganz wenigen Menschen, die von meiner Synästhesie wussten. Ich habe es ihr erst auf dem College gesagt. Der Grund war nicht, dass ich mich schämte, sondern, dass ich es nicht mochte, wie eine Kuriosität behandelt zu werden - oder, schlimmer noch, wie eine Monstrosität.
    »Du weißt doch, dass sie die Berge geliebt hat.« Ich überlegte, ob Jena wohl zum Klettern nach Südamerika gereist war.
    Betsy sah mich fragend an. »An den Wänden in ihrem Zimmer hingen Bilder aus dem Himalaja: der K2, der Annapurna, der Everest«, erklärte ich. »Sie wusste mehr über diese Berge, als ich über unser Land weiß. Sie kannte jede Aufstiegsroute und wer sie wann genommen hatte. Ziemlich ungewöhnlich für ein Mädchen, das an der Küste aufwächst. Ich frage mich, ob sie wohl selbst mit dem Bergsteigen angefangen hat. Es gibt ein paar bedeutende Berge in Südamerika. Wann war das, als sie zurückgekommen ist?«
    »Gott, ich weiß nicht. Die Kinder waren noch klein, das ist alles, woran ich mich erinnere. Vermutlich etwa fünf Jahre nach der Highschool. Sie hat damals nach
dir gefragt. Ich hab gesagt, dass du gerade dieses Aufbaustudium machst. Hat sie nie Kontakt zu dir aufgenommen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Betsy zuckte die Achseln und stand auf. »Wie auch immer.« Sie ging zum Kühlschrank. »Das ist zurzeit ein ständiges Kommen und Gehen bei dir«, sagte sie. »Warst du nicht gerade erst hier?«
    »Rein und raus«, erwiderte ich.
    Betsy verharrte mit der Hand an der Kühlschranktür. »Weißt du, ich kann euch wirklich nicht verstehen. Ich bin bereit, überall auf der Welt hinzugehen, solange ich nur bei Sonnuntergang wieder in Hyde County bin. Ich begreife nicht, wonach ihr da draußen sucht.«
    »Diesmal ist es etwas anderes. Ich werde Jena aufspüren. Aber du weißt genau, warum ich da rausgehe - um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es gibt einfach nicht genügend Vergewaltiger, Kinderschänder und Mörder auf Blackbeard’s Isle, um mich beschäftigt zu halten. Heutzutage nicht mehr. Nicht, seit die Piraten weg sind.«
    »Du Lügnerin«, sagte sie. »Wenn du die ganze Zeit hier bleiben müsstest, dann würdest du, na ja, wie ich enden.«
    Es entstand eine Pause, dann fragte ich sanft: »Was wirst du tun, Betsy? Du musst irgendetwas tun.«
    »Mir noch ein Bier holen«, sagte sie und öffnete die Kühlschranktür.

kapitel 4
    Jena justierte die Schwanenhalslampe, bis sich ihr Schreibtisch exakt im Zentrum eines perfekten Lichtkreises befand, der sich weiter auf den Boden ergoss. Sie schätzte, dass es möglich wäre, ein kleineres Licht zu bekommen, das nur auf ihren Schreibtisch fallen würde. Das wäre wesentlich präziser, aber sie wollte nur ungern von Leuten überrascht werden, die an ihrem Schreibtisch stehen blieben, und auf diese Weise konnte sie die Schuhe sehen. Schuhe, die einfach nur auf dem Weg zur Toilette vorbeigingen, traten nicht in den Lichtkreis, aber die, die an ihrem Schreibtisch stehen blieben, taten das schon.
    Wie die Schuhe ihres Chefs zum Beispiel. Daran, wie sie sich bewegten, konnte sie zum Teil sogar ablesen, was Dave wollte. Wenn er fest auf beiden Füßen einfach neben ihrem Schreibtisch stand, ging es um die Arbeit, und die schnellste Art, ihn loszuwerden, war, so lange zu ihm hochzusehen, bis er fertig war. Sie musste den Blick nur ein einziges Mal heben, und manchmal konnte sie einfach ja sagen, und er würde ihr mitteilen, was er brauchte, und dann gehen.
    Bei anderen Gelegenheiten trat er jedoch von einem Fuß auf den anderen, und das bedeutete, dass er wieder
damit anfing: damit, wie sie sich verändert hatte, welche Sorgen er sich machte, ob sie Hilfe bräuchte, dass sie noch mal mit diesem Detective reden sollte, den er kannte. Allesamt idiotische Äußerungen, die irgendeine Frau von einem anderen Planeten betreffen mussten. Dann würde sie sich einfach in sich selbst verkriechen, sich zurückziehen an einen sehr stillen Ort, wo sie ihn fast nicht mehr hören konnte, so wie sie es letzte Nacht bei Breeze’ Anruf getan hatte, aber darüber wollte sie nicht nachdenken.
    Heute verlagerte Dave sein Gewicht, und sie wappnete sich innerlich, aber er reichte ihr nur ein paar Papiere und ging

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