Wenn du lügst
drangekriegt.«
»Charmant«, sagte Robert.
»Nun, ich habe mit ihm gesprochen, und er ist zweifellos sehr bemüht - wenn er nicht gerade nach einer Möglichkeit sucht, seine Einschüchterungstaktiken anzubringen. Gegenwärtig hat er zu Gott gefunden. Ich klinge nicht gern skeptisch, aber du kennst ja die Redensart: Man findet mehr Bekehrte auf den Rücksitzen von Streifenwagen als in der Kirche. Es gibt jedoch ein Problem.«
»Er erzielt nicht genügend Punkte bei der statistischen Kriminalprognose«, folgerte Robert.
»In seinem Fall ist das leider so. Ich bin immer froh, wenn die Leute mit geringer Punktezahl abschneiden - je weniger Straftäter mit hohem Rückfallrisiko wir haben, desto besser -, aber er ist einer dieser besonders brutalen Typen, und ich hasse die Vorstellung, dass man solche Kerle wieder auf die Straße lässt. Er ist ein Psychopath und ein Verbrecher. Er hat sich halt nur nicht auf Sexualstraftaten spezialisiert. Die sind bloß ein Teil seiner Leckt-mich-am Arsch-Einstellung gegenüber der Welt.«
»Hmm«, meinte Robert.
»Ich habe die Zahlen verglichen und jeden Stein umgedreht, der mir einfiel. Ich habe sogar mit dem Opfer gesprochen - das übrigens seinen Namen geändert hat
und untergetaucht ist. Ich kann dir versichern, dass sie nicht aussagen wird. Es ist jetzt zehn Jahre her, und sie hat noch immer mit jedem einzelnen Tag zu kämpfen. Er hilft ihr, das Ganze lebendig zu halten. Er schickt ihr Karten zum Jahrestag der Vergewaltigung, nur um sie zu erinnern.«
»Wie aufmerksam.«
»So könnte man es auch ausdrücken. Das hier ist nur ein Höflichkeitsanruf, um dich zu informieren, dass er ein gefährlicher Krimineller ist. Die Frau glaubt, dass er versuchen wird, sie aufzuspüren, aber ich fürchte, uns sind die Hände gebunden.«
»Sei nicht so voreilig«, sagte Robert.
Ich war so verdattert, dass mir keine Erwiderung einfiel. Robert hatte noch bei keinem meiner Anrufe meine Einschätzung angezweifelt. Er wusste, dass ich ziemlich vorsichtig war bei dem, was ich tat, deshalb hatte er nie versucht, mir auf meinem Fachgebiet zu widersprechen.
»Robert, ich bin nicht voreilig«, sagte ich langsam. »Ich bin frustriert. Es ist mein Ernst. Ich habe rein gar nichts. Das Opfer hat seinen Namen geändert und ist untergetaucht. Falls du sie wegen einer Aussage bedrängst, wird sie höchstwahrscheinlich einfach wieder von der Bildfläche verschwinden. Es hat mir im Herzen wehgetan, auch nur mit ihr zu sprechen. Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst. Es sieht dir gar nicht ähnlich, mich oder die Risikoberechnungen anzuzweifeln.«
»Ganz ehrlich? Ich will darauf hinaus, dass Tommy in diesem Herbst als Gouverneur kandidieren wird.« Tommy war Generalbundesanwalt des Staates Washington,
ein charismatischer Workaholic, der nicht davor zurückschreckte jederzeit jedermanns Karrierepläne zu durchkreuzen. Die Geschichten über Tommy waren legendär: Seine Mitarbeiter machten keinen Urlaub, ganz gleich, was das Gesetz besagte; Frauen, die schwanger wurden, mussten feststellen, dass sie keine Stelle mehr hatten, zu der sie zurückkehren konnten. Tommy begann seinen Arbeitstag um vier Uhr morgens und dachte sich nichts dabei, um diese Zeit Besprechungen anzuberaumen. Wochenenden? Was war das? Niemand wagte es, zu protestieren - geschweige denn, zu klagen -, denn falls man es tat, würde man nirgendwo in Washington je wieder eine Anstellung bei der Justiz finden. Tommy hatte ein weit zurückreichendes Gedächtnis und einen noch größeren Einflussbereich.
Robert war Junggeselle und ebenfalls ein Workaholic, allerdings nicht auf Tommys Niveau. Niemand war auf Tommys Niveau. Ich glaube jedoch nicht, dass jemand im Büro des Generalbundesanwalts arbeiten könnte, wenn es keine enge Verbundenheit gäbe.
»Und was heißt das?«
»Die Losung wurde bereits ausgegeben. Keine Wellen. Er will nicht, dass irgendwelche Sexualstraftäter freigelassen werden, die anschließend etwas tun könnten, das die Justizbehörden schlecht aussehen lassen würde. Denk an Willy Horton. Du würdest nicht glauben, wen wir heutzutage alles strafrechtlich verfolgen. Fass irgendjemand an den Hintern, und wir kriegen dich dran.«
»Ich werde versuchen, daran zu denken«, erwiderte ich. »Robert, den Fall hier kannst du nicht gewinnen.
Er ist der Traum jedes Verteidigers. All diese Risikoberechnungen, über die wir gesprochen haben, helfen der Gegenseite.«
»Und wenn schon«, sagte er. »Besser, es versucht zu haben,
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