Wenn du lügst
Brüder?«
»Halbbrüder«, erklärte sie. »Die Mutter hat sich nie dafür interessiert, welcher Rasse oder Religion ihre Liebhaber angehörten. Hauptsache, sie hatten etwas Bösartiges. Daryls Vater ist tot, angeblich an einer Überdosis gestorben. Aber auf der Straße ging das Gerücht, dass die Mutter etwas damit zu tun hatte. Ich schätze, er war ihr nicht bösartig genug. Leroys Vater ist nicht geblieben. Keine Ahnung, wo er ist, aber Leroy nach zu urteilen, hat er ihre Kriterien für Boshaftigkeit erfüllt.«
Der Mann, der auf dem Stuhl lümmelte, war klein und drahtig. Daryl war ein stämmiger Typ, deshalb hatte ich erwartet, dass Leroy eine ähnliche Statur haben würde. Die Stimmen waren zu leise, als dass man sie hätte verstehen können, bis Pat den Arm ausstreckte und
einen Knopf an der Wand drehte. Anschließend waren sie so klar, als wäre man mit ihnen im selben Raum.
Ein Detective mittleren Alters sprach gerade. Er war auf diese gewisse Weise muskulös, die die Vermutung nahelegte, dass er professionell Basketball gespielt hatte, oder zumindest halbprofessionell. Er saß über einen Notizblock gebeugt und hielt seinen Stift wie eine Bärentatze einen Zweig. »Sie haben das Recht …«
»Ja, schon gut«, sagte Leroy spöttisch. Seine Stimme hatte die Farbe einer nassen Papiertüte mit einer knittrigen Oberfläche, die stellenweise glänzt.
»Wollen Sie einen Anwalt?«, erkundigte sich der Detective.
»Harry, Harry«, sagte Leroy. »Scheint, als hätte Ihre Mama nicht gerade ein Genie großgezogen. Jedes Mal, wenn Sie mich herzitieren, sagen Sie mir denselben Spruch, und ich sage Ihnen denselben Spruch. Hol dir einen Anwalt, und genauso gut kannst du dein Geld zusammenrollen und es rauchen. Der Letzte von diesen Pissern hat mir zwanzigtausend Dollar für einen Fall abgeknöpft, der nie vor Gericht gelandet ist, was nicht ihm zu verdanken war. Nein, ich will keinen Anwalt. Solange Sie nichts haben, wofür es sich lohnt, einen zu bezahlen, werde ich nie einen Anwalt wollen.«
»Na ja, ich hätte eine Lösung für dieses Problem, Leroy. Sie könnten sich eine Menge Geld sparen, indem Sie sich hin und wieder schuldig bekennen.«
»Sie sparen sich eine Menge Zeit und Geld, wenn Sie mich einfach in Frieden lassen. Ich schlage Ihnen einen Deal vor. Ich komme nicht aufs Polizeirevier und belästige Sie, und Sie bleiben aus meinem Viertel weg und
belästigen mich nicht mehr. Erspart Ihnen, sich weiter zum Affen zu machen, wegen all diesen Beschuldigungen, mit denen Sie nichts anfangen können.« Er sah auf seine Rolex. »Sie sind nicht halb so hübsch wie meine Verabredung heute Abend. Jetzt sagen Sie endlich, was Sie zu sagen haben.«
»In Ordnung. Lassen Sie uns über Roosevelt und Sissy Harper reden.«
»Wen?«
»Ihr Cousin Roosevelt und seine vierjährige Tochter Sissy. Haben Sie Ihren Cousin schon vergessen? Haben Sie vergessen, dass Sie die beiden umgebracht haben?«
»Mann, das ist vor so langer Zeit gewesen. Deshalb haben Sie mich herkommen lassen? Was ist das hier? Die Woche der kalten Fälle?«
»Bei Mord gibt es keine Verjährung«, sagte der Detective, »und bei solchen Fällen geben wir nie auf. Abgesehen davon haben wir durchaus Grund, ihn wieder aufzugreifen. Man kann heutzutage wirklich nie wissen, aus welcher Richtung plötzlich Hilfe kommt.«
Leroy schnaubte verächtlich. »Sie brauchen alle Hilfe, die Sie kriegen können. Was für ne Art von Hilfe soll das schon sein?«
»Wie lange haben Sie Daryl nicht mehr gesehen?«
»Daryl? Daryl ist mein Mann. Sie haben nicht mit Daryl geredet.«
»Daryl ist in einem Staat, wo sie ihn für den Rest seines Lebens wegsperren können, Leroy. Man nennt es Sicherungsverwahrung. Glauben Sie wirklich, dass er Lust hat, lebenslänglich zu sitzen, nur um Ihnen Ihren knochigen Arsch zu retten?«
»Was tut er da?« Ich drehte mich zu Pat um. »Was tun Sie da?«
»Psch …«, sagte sie. »Sie werden Sie hören.«
Leroy saß einen Moment lang reglos da. »Träum weiter, Kumpel«, sagte er dann. »Das, was Sie da rauchen, ist mit irgendwas verschnitten. Wenn Sie an das echte Zeug ranwollen, brauchen Sie eine zuverlässigere Quelle.«
»Warum sollte ich so etwas erfinden?«, entgegnete Harry. »Wissen Sie, Leroy, wenn er erst mal zu reden anfängt, wer weiß, was er ausplaudern wird? Tatsächlich wäre es möglich, dass er, wenn er erst mal über irgendwas redet, genauso gut über alles reden könnte. Je mehr, desto besser, weil er Sie an diesem
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