Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn du lügst

Wenn du lügst

Titel: Wenn du lügst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Salter
Vom Netzwerk:
hielt sie so fest, dass der Gerichtsmediziner Schwierigkeiten hatte, sie aus ihrer Hand zu befreien. Und das verfluchte Ding war wirklich ein armseliges Exemplar von einem Spielzeug. Ein Auge fehlte, der Kopf war gebrochen, und sie starrte vor Schmutz. Sie war ein reines Nichts, aber dann durchsuchten wir das ganze Haus und stellten fest, dass sie das einzige Spielzeug war. Das einzige Spielzeug, und es war so scheußlich, man würde nicht wollen, dass das eigene Kind es auch nur berührt. Man konnte an der Art, wie Sissy diese Puppe umklammerte, erkennen, was sie ihr bedeutete. Es war alles, was sie hatte. Ich weiß nicht, warum es mir so zusetzte, aber das tat es. Ich bekam das Bild von Sissy, wie sie diese Puppe im Arm hielt, einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und verschwenden Sie keinen Gedanken daran, mir zu unterstellen, melodramatisch zu sein. Ich sage nur, wie es war.«
    Ich verschwendete keinen Gedanken daran, ihr irgendetwas zu unterstellen. Wenn man mit Opfern arbeitet, sieht man Dinge, die sich niemand ausdenken könnte.

    »Wir arbeiteten eine Weile an dem Fall, aber wir hatten nicht den geringsten Anhaltspunkt. Roosevelt handelte so viel mit Drogen, dass jeder es getan haben könnte - jemand, der ihn abzocken wollte, jemand, den er abgezockt hatte, ein Rivale, ein Geschäftspartner, ein Kunde - wer konnte das schon wissen? Es gab einfach keine Indizien, keine Zeugen, keine Gerüchte, rein gar nichts. Ich hab niemand verraten, dass er mein Spitzel war. Niemand außer Mac wusste davon. Es hätte nichts gebracht, jemand davon zu erzählen. Die Tatsache an sich bewies gar nichts. Die Polizei hatte Leroy bereits wegen der Drogenverbindung im Visier. Doch der Fall wurde schließlich kalt, und alle gingen zur Tagesordnung über.«
    »Außer Ihnen.«
    »Ich schien dazu nicht fähig zu sein. Ich ging durch eine Phase, in der ich zu beweisen versuchte, dass jemand anders sie ermordet hatte. Ich wollte mir einfach nicht eingestehen, dass sie wegen mir getötet worden war. Eine Zeit lang glaubte ich, das Erpressungsopfer hätte es getan. Er hatte selbst Dreck am Stecken und war ein ziemlich undurchsichtiger Bursche. Er wusste nicht, dass wir über ihn im Bild waren, und er kam durchaus als Täter in Frage.
    Ich wurde wie besessen von der ganzen Sache. Dann beging ich den großen Fehler, die Akten mit nach Hause zu nehmen. Wenn ich sie kopiert hätte, wäre nichts von dem hier geschehen, aber das tat ich nicht. Ich nahm sie mit nach Hause, und dann suchte plötzlich jemand danach, stellte fest, dass sie fehlten, und kam schließlich auf mich. Ich hätte lügen und behaupten
können, dass ich sie nicht hatte, dass sie irgendwie verloren gegangen sein mussten, aber ich bin nicht sicher, ob man mir geglaubt hätte. Langer Rede kurzer Sinn - ich gab zu, dass ich die Akten hatte, sie wollten wissen, warum, und so führte eins zum anderen, und sie fanden heraus, dass ich in meiner Freizeit an dem Fall gearbeitet hatte.
    Die ganze Angelegenheit war zäh und langwierig, und es hat keinen Sinn, das jetzt zu vertiefen. Unterm Strich kam raus, dass man mir befahl, aufzuhören, was ich aber nicht tat, bis sich dann der Typ mit dem Dreck am Stecken, dieses charismatische, verlogene Arschloch von einem Lokalpolitiker beschwerte, dass ich ihn schikanieren würde, woraufhin ich suspendiert wurde. Ich wurde suspendiert und musste zum Polizeipsychologen. Es war ein Riesenschlamassel, und ich brauchte sechs Monate, bevor man mich wieder einsetzte. Der Preis dafür war, dass ich nie wieder irgendetwas mit dem Fall zu tun haben durfte. Sie waren alle der Ansicht, dass ich die Kontrolle verloren hätte. Sogar der Seelenklempner.«
    »Und war es so?« Für mich klang es danach. Ich fragte mich, ob sie es genauso sah.
    »Vielleicht. Wahrscheinlich. Haben Sie sich jemals gewünscht, zurückgehen und etwas wiedergutmachen zu können, das sie verbockt haben? Haben Sie jemals genug davon gehabt, Dinge in ihren Händen auseinanderfallen zu sehen, und sich irgendwann gesagt: ›Jetzt reicht’s. Das war einmal zu viel‹? Wissen Sie, was ich meine? Haben Sie je den Wunsch verspürt, etwas in Ordnung zu bringen - zumindest, so weit es geht? Wegen mir war ein Kind gestorben, und obwohl ich ganz genau
wusste, dass die Ergreifung des Mörders es nicht zurückbringen würde, schien mein Leben davon abzuhängen, dass ich ihn schnappte.«
    »Ich verstehe das«, sagte ich.
    »Das ist es, was mit mir passiert ist. Ich musste den Mord an Sissy aufklären,

Weitere Kostenlose Bücher