Wenn du lügst
Leute, aber der Strand war hübsch. Das war nicht das richtige Wort. Vielleicht war die Stadt hübsch. Der Strand war irgendwie mehr als nur hübsch. Hübsch ließ ihn klein und gewöhnlich klingen, und das war er nicht. Lily ließ den
Blick über die Wellen in die Ferne schweifen und überlegte, dass sich das hier den ganzen weiten Weg bis nach Frankreich erstreckte, was wirklich seltsam war. Wenn ihr Blick weit genug reichen würde, könnte sie Frankreich sehen. Wie seltsam das erst war.
Würde es ihrer Mutter hier gefallen? Würde sie eines Tages hier leben wollen - oder wenigstens zu Besuch kommen? Ihre Mutter redete ständig über die Berge. Zumindest hatte sie das getan, bevor Jerrys Schläge sie in einen Zombie verwandelt hatten. Dieser Ort ähnelte auf gewisse Weise den Bergen. Er hatte dieses Gewaltige, von dem sie instinktiv wusste, dass es Teil dessen war, was ihre Mutter so liebte.
Sie sah zu Mandy hinüber und fragte sich, wie viel sie ihr sagen konnte. Mandy war ziemlich cool. Sie hatte eine freche Frisur, und die Waffen schienen ein sicheres Zeichen zu sein, dass sie sich von niemand auf der Nase herumtanzen ließ.
»Mandy?«
Mandy hatte sich umgedreht und ließ den Blick über die Dünen wandern, wie sie es alle paar Minuten tat. Jetzt wandte sie sich wieder zu ihr um. »Ja?«
Lily wusste nicht genau, wie sie es ausdrücken sollte. »Ich hab da mal was im Fernsehen gesehen. Über häusliche Gewalt.«
»Okay.« Mandy sah sie nicht an, sondern beobachtete die Wellen, während sie weitergingen.
»Ich dachte nur, Sie könnten etwas darüber wissen, weil Sie ja Polizistin sind. Und die Polizei bekommt doch deshalb Anrufe, oder? Na ja, ich frage mich einfach, warum sie es tun.«
»Die Täter? Warum sie Menschen misshandeln?«
»Ach nein, nicht die Täter. Die interessieren mich nicht. Die sind einfach schlecht. Ich schätze, sie tun es, weil sie es genießen.«
Mandy sah sie überrascht und, wie es schien, mit einem Ausdruck der Zustimmung an.
»Ich meine die Frauen. Ich wette, Sie würden es nicht tun. Sie würden sich von keinem Mann schlagen lassen. Sie würden ihn verlassen. Oder ihn erschießen. Und falls die Polizei auftauchen würde, würden Sie nicht sagen, dass alles in Ordnung ist.«
Mandy ging ein Stück weiter, dann sagte sie: »Ich werde dich nicht anlügen, Lily. Ich habe keine echte Antwort für dich. Ich habe es selbst nie wirklich begriffen. Als Kind habe ich damit gelebt, aber ich konnte es kein bisschen besser verstehen als du. Jetzt bin ich erwachsen und kann es noch immer nicht.«
Lilys Herzschlag schien für einen Moment auszusetzen. »Wie meinen Sie das?«, fragte sie beiläufig, »dass Sie damit gelebt haben?«
»Meine Mutter hatte eine ganze Reihe von Freunden, die sie schlugen. Ich kann dir nicht sagen, warum sie es zugelassen hat. Sie hat sie immer erst rausgeschmissen, kurz bevor der Nächste einzog. Sie hat getrunken, aber das ist keine Entschuldigung. Sie fühlte sich wertlos, das weiß ich, aber inzwischen denke ich, dass das hauptsächlich durch die Misshandlungen kam. Um dir die Wahrheit zu sagen, habe ich meine Mutter nie begriffen. Wir standen uns nicht nahe. Ich verdanke ihr eine ziemlich lausige Kindheit. Ich habe viele Jahre damit zugebracht, wütend auf sie zu sein.
Inzwischen fühle ich mich besser, weniger wütend. Zumindest glaube ich das. Ich scheine nicht mehr so viel darüber nachzugrübeln. Aber ich bin nicht der richtige Ansprechpartner für dich, weil ich es selbst nie kapiert habe.«
Oh doch, das sind Sie, dachte Lily. Sie sind genau der richtige Ansprechpartner.
Sie gingen ein paar Minuten lang weiter, dann sagte Lily: »Hatten Sie je das Gefühl, dass es Ihre Schuld ist?«
»Manchmal.« Mandy lachte. »Ich erinnere mich inzwischen noch nicht mal mehr, warum. Wieso sollte ein Kind denken, dass etwas wie das seine Schuld sein könnte? Das ergibt einfach keinen Sinn. Trotzdem habe ich so empfunden.«
»Ein Kind könnte so denken«, sagte Lily langsam, »wenn es selbst der Grund dafür ist, dass seine Mutter sich überhaupt erst mit dem Typen eingelassen hat.«
»Kinder entscheiden nicht, mit wem sich ihre Eltern einlassen«, widersprach Mandy. Lily antwortete nicht.
»Ist das der Grund, warum du hier bist?«, fragte Mandy sanft. »Hat deine Mutter ein Problem dieser Art?«
Wieder gab sie keine Antwort.
»Du musst es mir nicht erzählen, Lily, aber ich bin ziemlich offen zu dir gewesen. Und ich werde niemand sagen, was du mir
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