Wenn du lügst
anvertraust.«
Lily hatte das Gefühl, als würde sie sich gegen eine richtig schwere Tür stemmen, die sie noch nie zuvor aufbekommen hatte. Jetzt endlich schien sie nachzugeben. »Meine Mutter hat ein paar solche Probleme«, sagte sie mit flacher Stimme. »Aber sie ist kein schlechter Mensch. Wirklich, das ist sie nicht.«
»Nein«, erwiderte Mandy betrübt. »Ich bin sicher, dass sie das nicht ist.«
»Das Ding ist, meine Mutter war nicht immer so. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich klein war und Jerry nicht bei uns gelebt hat. Sie war hübsch, und wir haben viel zusammen unternommen. Alles Mögliche. Sie hat mir Geschichten über die Berge erzählt.«
»Die Berge?«
Lily seufzte. »Meine Mutter ist verrückt nach den Bergen, den wirklich großen, in Südamerika und im Himalaja. Sie ist Bergsteigerin, oder war es zumindest. Sie hat Fotos. Es stimmt. Sie hat es sich nicht ausgedacht.« Sie sah jetzt zu Mandy hoch, als würde diese ganz bestimmt glauben, dass ihre Mutter log. Mandy erwiderte nichts. »Sie können Breeze fragen. Die beiden haben als Kinder ständig über die Berge geredet. Sie kann es bestätigen.«
»Ich bezweifle das nicht, Lily«, sagte Mandy. »Ich habe mich nur gerade gefragt, was schlimmer ist - eine Mutter wie meine zu haben, die nie etwas anderes war als ein Fußabtreter, oder eine wie deine, die zuvor anders war. Ich habe keine Ahnung.«
»Wollen Sie wissen, warum es meine Schuld ist? Mein Vater ist gestorben. Er war Bergsteiger, und er stürzte ab und starb, und dann war da nur noch meine Mutter, die sich um mich kümmern konnte, und das bedeutete, dass sie nicht mehr bergsteigen gehen konnte. Dann hat sie Jerry kennengelernt, und der war ebenfalls Bergsteiger und hat sie dadurch an die Berge erinnert. Sie hat sich mit ihm eingelassen, weil er ihre Verbindung zu den Bergen war. Das ist es, was ich denke, und es ist die Wahrheit. Wenn sie die Berge gehabt hätte, hätte sie ihn nicht
gebraucht.« Sie sprach schnell, und die Worte schienen aus ihrem Mund zu fliegen, noch bevor sie beschlossen hatte, sie auszusprechen.
»Das ist deine Meinung?«, fragte Mandy. »Das ist es, was du denkst?«
»Es ist wahr«, beharrte Lily und wünschte sich, es ihr nicht erzählt zu haben.
»Es wäre möglich«, stimmte Mandy zu. »Ich habe versprochen, dich nicht zu belügen. Es könnte wahr sein.«
Eine Bürde fiel von Lily ab, so als hätte sie plötzlich ihre letzten fünf Kilo Babyspeck verloren. Sie hätte nicht gedacht, dass irgendein Erwachsener ihr recht geben würde. Lily wusste, dass es stimmte. Es fühlte sich einfach zu wahr an, wie etwas, das man sich nicht nur einbildet. Aber sie hätte nie geglaubt, dass irgendein Erwachsener mit ihr darüber reden würde.
Mandy überprüfte wieder die Dünen, dann ließ sie sich auf den Strand plumpsen. »Setz dich zu mir«, sagte sie. Lily hockte sich gehorsam neben sie, während Mandy sich auf die Ellbogen zurücklehnte und auf das Wasser starrte. Nach einem Moment sagte sie: »Also, lass uns mal annehmen, es wäre wahr. Und wenn schon. Es wäre sowieso passiert, weißt du? Früher oder später wäre sie zu alt geworden zum Bergsteigen, oder sie hätte sich eine Verletzung zugezogen, die sie daran gehindert hätte. Der springende Punkt ist, dass deine Mutter das Problem hatte, etwas zu lieben, ohne das sie nicht leben konnte. Es war halt zufällig ein Kind, das sie zum Aufhören zwang. Es hätte auch alles andere sein können.«
»Ich wünschte, es wäre etwas anderes gewesen«, sagte Lily.
»Sie hätte andere Dinge tun können«, fuhr Mandy fort. »Sie hätte Felsklettern unterrichten oder ein Geschäft für Bergsteigerbedarf eröffnen können. Warum musste es dieser Kerl sein? Und warum hat sie ihn nicht verlassen, als es schlimm wurde? Er erinnert sie heute nicht mehr an die Berge. Es erklärt nicht, warum sie nicht weggegangen ist.«
Lily gab keine Antwort.
»Es ist nur ein Teil davon«, sagte Mandy. »Sie hatte eine Vielzahl von Alternativen, aber sie hat ihn gewählt.«
Doch Lily hörte nicht mehr zu. Sie dachte gerade über das nach, was Mandy zuvor gesagt hatte: dass ihre Mutter andere Dinge hätte tun können. Das klang ebenfalls wahr. Also, warum hatte sie es nicht getan?
»Können sich solche Menschen jemals ändern?«, fragte sie zögerlich. »Sie redet davon, ihn zu verlassen, aber ich weiß nie, ob ich ihr glauben soll. Sie hat das schon früher gesagt. Sie hat es oft gesagt. Dann hat sie für eine Weile aufgehört,
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