Wenn du lügst
der Zeit gewesen.«
Sie brach ab und wippte ein paar Minuten lang vor und zurück. Niemand sprach. Dann erzählte sie weiter. »Nachdem Crystal gestorben war, kümmerte es mich nicht mehr, was mit mir passieren würde. Er konnte kommen und mich erledigen, wenn er wollte. Nach ner Weile hatte ich mich wieder ein bisschen gefasst, aber da hab ich schon aus der Zeitung gewusst, dass sie ihn verhaftet haben. Ich hab mir gedacht, dass er vom Gefängnis aus nicht viel machen kann, deshalb bin ich einfach hiergeblieben.«
»Woher wussten Sie, dass man ihn entlassen würde?«, fragte Robert.
»Ich hab nen Anruf von meinem Cousin zu Hause in Dallas bekommen, und er sagt, er hat ein Gerücht gehört, dass Daryl rauskommt. Ich wollte wegziehen, hab mir dann aber gedacht, ich sprech erst mal mit Ihnen. Jetzt ist es nicht mehr wichtig, und ich bin zu alt, um wieder wegzulaufen.«
»Wusste Crystal, worüber sie gestritten haben?«, fragte Mandy. »Warum sie ihn umbrachten?« Sie spürte, wie sich ihr ganzer Körper anspannte, als sie das fragte.
»Wenn ja, hat sie’s mir nie gesagt«, erwiderte Mrs Parks, »aber ich glaub nicht, dass sie’s wusste.«
Einen Moment lang schien das Zimmer vor Mandys Augen zu verschwimmen. Wenn Crystal es nicht gewusst hatte, würde es nie jemand wissen. Mandy würde niemals sicher wissen, ob die Tatsache, dass sie Roosevelt zum Spitzel gemacht hatte, der Grund für Sissys Tod war oder nicht. Was bedeutete, dass sie diesen Dämon in ihrem Nacken niemals loswerden würde. Aber sie war gleichzeitig auch erleichtert über die Antwort. Das Einzige, was schlimmer gewesen wäre, als es nicht zu wissen, war, mit Bestimmtheit zu wissen, dass sie ihren Tod verschuldet hatte.
Robert sah Mandy nun neugierig an und wartete, ob sie weitere Fragen stellen würde. Als sie das nicht tat, wandte er sich wieder Mrs Parks zu. »Wir möchten, dass Sie aufs Polizeirevier kommen und eine Aussage machen.«
»Wird Daryl Collins dadurch im Gefängnis bleiben?«
»Es könnte durchaus genug sein, um ihm wegen einer neuen Mordanklage eine weitere Haftstrafe einzubringen.«
»Und Leroy?«
»Ebenfalls.«
»Aber es ist Hörensagen«, sagte Mandy zu Robert. »Crystal war die eigentliche Zeugin, und sie ist tot.«
»Schon, aber es ist eine spezielle Form des Hörensagens - eine Spontanäußerung unter Stress. Crystal war aufgewühlt, als sie sie machte, und sie erfolgte direkt im Anschluss an den Mord.«
»Ist sie zulässig?«
»Aber ja, sie ist zulässig. Crystal war auf der Flucht vor ihnen. Sie stand noch immer emotional unter Stress durch den Mord, den sie mit angesehen hatte. Ich sehe da kein Problem. Ich bezweifle, dass es irgendwo einen Richter gibt, der sie nicht zulassen würde.«
»Sie meinen, ich kann gegen Daryl und Leroy aussagen, obwohl ich selber gar nichts gesehen habe?«, fragte Mrs Parks.
»Das meine ich«, bestätigte Robert. »Falls Sie einverstanden sind.«
»Aber dafür muss ich erst mal lang genug leben.«
»Ich glaube nicht, dass Leroy hier dieselbe Reichweite hat wie in Dallas«, sagte Robert. »Für den Moment sollten wir Sie sicher verstecken können. Aber ich behaupte nicht, dass es kein Risiko gibt.«
»Ach, das weiß ich schon. Hab ich immer gewusst. Wenn man es mit den Collins-Brüdern zu tun hat, hat man immer ein Risiko. Man hat das Risiko, dass man vielleicht nicht mehr aufwacht am nächsten Tag.
Aber ich schätze, ich werd’s trotzdem tun. Wie ich schon gesagt hab, hatte ich schon viel zu viel Zeit. Und ich hab auch wirklich keine Lust mehr wegzulaufen. Das
Schlimmste, was passieren kann, ist, dass ich sterbe und aufhöre, über Crystal nachzudenken.«
Es war spät, und Mac machte sich gerade bereit, zu Bett zu gehen, als das Telefon klingelte.
»Ich bin’s«, sagte Mandy.
Mac griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Mac, ich bin in Seattle. Wir haben eine Zeugin.«
»Seattle? Was machst du in Seattle?«
»Hörst du, was ich sage, Mac? Wir haben eine Zeugin.«
»Was für eine Zeugin? Wovon redest du?«
Sie erklärte es ihm. »Es ist zulässig, Mac. Man nennt es eine Spontanäußerung unter Stress. Sie kann aussagen.«
Mac war sprachlos. Er war sicher gewesen, dass dies nicht mehr war als ein weiterer sinnloser Versuch in einer langen Reihe. »Unglaublich. Weiß sie, warum Roosevelt ermordet wurde?«
»Nein.« Mac stieß einen enttäuschten Seufzer aus. Im allerbesten Fall hätte Leroy ihn wegen etwas
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