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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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wirkte, so verrückt das klang, gar nicht so schlecht. Ob es nun das oder die Therapiestunden bei Bob Bellamy oder ihre Yogaübungen oder alles zusammen war – Rosie wirkte lange nicht so labil wie sonst. Und das, man höre und staune, trotz des zu erwartenden Stewardessenembryos.
    »Sie kriegt es also wirklich?«, hatte meine Mutter meinen Vater vor ein paar Tagen am Telefon gefragt. Noch immer war Leek untergetaucht, aber wenigstens meldete er sich jetzt wieder telefonisch.
    Anscheinend bejahte mein Dad die Babyfrage, denn Rosie legte Sekunden später eine beringte Hand auf ihr Herz, setzte sich in den Sukhasana und beendete das Gespräch zu ihrem eigenen Seelenschutz so rasch wie möglich. Anschließend machte sie einige Lachübungen und überstand den Tag ohne Cannabis und Wasserpfeife. Und ohne Schwermut.
    »Das wird schon irgendwie«, sagte sie tapfer, als sie zu Ende gelacht hatte und ich sie fragte, wie sie mit der Situation fertig würde. »Ich hatte jedenfalls nicht mehr das Gefühl, dass mein Herz stehen bleibt, als er von diesem Baby anfing«, fügte sie nachdenklich hinzu. »Das mit dem Herz soll ja sowieso nicht stimmen. Es kann nicht wirklich vor Schreck aussetzen. Das ist nur so ein Gefühl, das man hat. Sagt wenigstens Bob. Und der muss es ja wissen, schätze ich.«
    Am nächsten Abend war ich froh über diese Information, denn da war ich es, die dieses Herzschlagaussetzgefühl hatte.
Kendra war ausnahmsweise nicht da, weil sie einen Termin bei ihrer Kieferorthopädin hatte, und Rosie, Moon und ich aßen zu dritt im Garten an unserem wackeligen, holzwurmigen Gartentisch Spaghetti mit Pesto. Unsere Vorräte wurden merklich knapper.
    Die Spaghetti hatte Moon gekocht, ich hatte die beiden Pestogläser in unserer lichtlosen, spinnverwebten Speisekammer aufgetrieben und Rosie hatte Energietee gekocht, den wir mit Zitrone und Eiswürfeln in Eistee verwandelt hatten.
    Plötzlich hielt in unserer Einfahrt ein Wagen.
    Rosie lief die Gabel sinken. »Ist das Leek?«, fragte sie hoffnungsvoll und beunruhigt zur gleichen Zeit und reckte sich, um besser um die Ecke spähen zu können.
    Moon hob ebenfalls den Kopf und runzelte die Stirn.
    Es war schon dämmrig, die Luft eine Mischung aus Pinienduft, Stadtluftsmog und dem Geruch nach trockenem Sommergras. Wir sahen den Wagen nur halb und außerdem durch ein paar unserer urwaldartigen Büsche hindurch.
    »Nein. Nicht rot. Silber«, murmelte Moon und meinte die Autofarben. Leek fuhr einen alten roten Buick.
    Die silbernen Wagentüren öffneten sich und heraus zwängten sich zwei dunkel gekleidete Gestalten.
    Mein Herz stolperte und setzte einen Moment aus. Ich schnappte panikartig nach Luft. – Hamburg! Eine andere Möglichkeit gab es nicht! Himmel, wie hatte ich das nur vergessen können? Es war Dienstag. Natürlich! Verdammt, wie schnell die Zeit vergangen war! Hatte ich es tatsächlich versäumt, Moon und Rosie in diese aus Norddeutschland herannahende Katastrophe einzuweihen? Hilfe!
    »Hamburg?«, hauchte Rosie da ebenfalls und wurde blass. Sie musste einen sechsten Sinn haben, wenn es um ihre Eltern ging. Schließlich hatte sie keine Ahnung, dass sie kommen würden. »Nein, das kann nicht wahr sein!«, flüsterte sie in Panik. »Sagt, dass das nicht wahr ist! Warum sollten sie da sein?«
    Und dann waren sie tatsächlich da. Missbilligend betrachteten sie uns. Der Reihe nach, wie es schien.
    »Da wären wir also«, sagte mein Großvater schließlich und kam auf uns zu. Herrmann Marsirske, Jahrgang 1946, Schuldirektor a. D., groß, fleischig, besserwisserisch, Furcht einflößend – wenigstens für meine Mom, dachte ich.
    »Wir hatten ja angenommen, dass ihr uns am Flughafen abholt. Aber Fehlanzeige. Na, wir sind so was ja gewöhnt.«
    »Wir haben einen Leihwagen genommen«, fügte Oma Dorothea hinzu, die Leek früher gerne Hochwürden Dorothy genannt hatte, worüber sie sich nie genug ärgern konnte. »Guten Abend, Kinder. Guten Abend, Rosie. Gut siehst du aus.«
    »Sorry, Rosie – sie haben mich neulich angerufen und es angekündigt, ihren Besuch, meine ich … Ich hab … es völlig vergessen …« , flüsterte ich.
    »Vergessen?«, wiederholte meine Mutter fassungslos. »Wie konntest du das vergessen?«
    »Hi, Leute. Setzt euch doch«, sagte Moon seelenruhig auf Deutsch. »Wollt ihr was von den Spaghetti?«
    Rosies Mutter horchte auf. »Du sprichst mit Akzent«, sagte sie. »Hast du das gehört, Herrmann? Er spricht seine Muttersprache mit amerikanischem

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