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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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4.
    Draußen wurde es hell, goldenes Licht löste silbernes ab.

13. SKY
    »Ich bin klebrig wie ein Pancake mit Ahornsirup«, sagte Kendra ärgerlich. »Im Sommer müsste LA eigentlich evakuiert werden. Das wäre das einzig Vernünftige!«
    Es war der erste Samstag im Juni. Der Abend des Abschlussballs.
    Leek hatte uns angerufen, nachdem er von Arizona aus, wo er gerade steckte, seinen Anrufbeantworter abgehört hatte.
    »Rosie, ihr habt – Besuch?«, fragte er vorsichtig unseren AB, als wir nicht sofort abnahmen. Als Rosie diese Worte hörte, riss sie wie eine Ertrinkende den Hörer hoch.
    »Leek? Leek? Gott sei Dank! – Woher weißt du …? Wo steckst du? Bitte, komm! Sie sind gestern Abend hier plötzlich aufgetaucht. Gerade sind sie noch in ihrer Pension, aber sie können jeden Moment – wirklich jeden Moment …«
    »Rosiedarling, Sky hat mich informiert – aber ich bin gerade in Phoenix. Ich treffe hier ein paar Galeristen.«
    »Oh«, murmelte Rosie und ließ sich in den Sukhasana sinken.
    »Ich komme, sobald ich kann«, versprach Leek.
    »Danke«, sagte meine Mom und sonst nichts.
    »Aber irgendetwas musst du doch vorhaben, Moon«, sagte Opa Herrmann. »Ein Plan. Eine Idee. Was war mit dem Eignungstest fürs College, den du im letzten Jahr gemacht hast?«
    Moon schwieg. Er saß unter seinem Olivenbaum und hatte die Augen geschlossen. Gestern Nacht hatte er sich im Einkaufscenter Tracadero’s in letzter Sekunde ein Outfit für den Ball gekauft. Er würde komplett in Schwarz gehen. Einzige Ausnahme: ein paar verrückte rot-weiße Slipper, Spectators .
    »In Hamburg wird es zum Glück nie so heiß«, sagte Oma Doro und fächerte sich mit einer Psychologie heute, die sie mitgebracht hatte, Luft zu. »Hamburg steht für frische Luft, Wind und Sonne. Wunderbar! Die beste Stadt der Welt. Ein Jammer, dass Rosie sich so vehement weigert zurückzukommen. Das Klima würde euch allen guttun. Und das Schulsystem ist viel besser in Deutschland. Die Deutschen sind ehrgeiziger, zielorientierter. – Rosie, weißt du noch, deine gute Freundin Marlen? Ich habe sie neulich an der Alster getroffen. Rein zufällig. Sie hat zwei entzückende Kinder und einen ganz reizenden Mann. Sie selbst ist Anwältin geworden. Und wie sie aussah – top! Sie scheint gut Geld zu verdienen.«
    »Ich habe auch zwei entzückende Kinder und einen reizenden Mann«, murmelte Rosie ärgerlich. Sie war dabei, Unkraut zu jäten, einen Teil unseres Rasens umzugraben, die Avocadobäume zu gießen und unsere Tamarillo zu beschneiden. Alles irgendwie gleichzeitig und unter emotionalem Hochdruck.
    »Und wo steckt dann dein reizender Mann?«, fragte meine Großmutter kaltblütig.
    »Er arbeitet«, sagte meine Mom.
    »Rund um die Uhr?«
    »Nun lass sie doch in Frieden, bitte«, sagte Moon ärgerlich und öffnete die Augen.
    »Hast du den Test bestanden, Moon?«, hakte Opa Herrmann nach.
    Kendra und ich sahen uns an. Moon hatte in seinem SAT-Test leistungsmäßig geglänzt, er war immer ein Eins-a-Schüler gewesen, aber er machte keine große Sache daraus. Er hätte ohne Probleme an die UCLA gehen können, jederzeit.
    »Ich werde Dichter, Herrmann. Read it from my lips: Dichter!«, antwortete er in diesem Moment gereizt. »Dafür brauche ich keine idiotischen Tests zu bestehen. Ich muss nur alles, was ich im Kopf habe – hinkritzeln. Wenn du verstehst, was ich meine?«
    »Also nicht bestanden«, murmelte Rosies idiotischer Vater mit einem pseudoresignierten Ton in der Stimme.
    Da stand Moon auf und ging ins Haus.
    »Was redest du da, Vater? Er hat natürlich bestanden«, sagte Rosie heftig und fuhr herum. Ich sah, dass ihre Hände zitterten. Sie waren voller Erde.
    »Und warum sagt er das nicht selbst?«, warf Oma Dorothea fragend ein und fächerte sich wieder Luft zu, so als säße sie in der Wüste Sahara und nicht in unserem Garten, in dem es sogar Schatten gab. »Was ist los mit ihm? Warum igelt er sich ein? Warum hängt er so herum? – Ich sage es ja nicht gerne, aber das hat er alles von dir, Rosie. Dieses Konturenlose, dieses Trostlose, diese Labilität …«
    In diesem Moment klingelte unser schnurloses Telefon. Ich nahm das Gespräch an, nachdem ich eine mir unbekannte Rufnummer auf dem Display registriert hatte. Vielleicht war es jemand aus der Schule, vielleicht ging es um den Ball heute Abend.
    »Für dich, Rosie«, sagte ich allerdings im nächsten Moment und reichte den Hörer weiter. Meine Mutter machte ein fragendes Gesicht, aber ich zuckte

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