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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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wiederholte ich tonlos. »Was glaubst du, von wem ich spreche? Ich meine sie – meine wirkliche Mutter.«
    Lange, lange, lange gab David mir keine Antwort. Ich starrte immer noch auf den Bildschirm seines PCs, meine Augen brannten, während ich das Haus am Hillcrest Drive mit ihnen festhielt.
    »Ima ist deine Mutter, Hannah«, sagte David irgendwann in diese schreckliche Stille hinein. »Egal, was ist. So sehe ich das.«
    Ich sagte es Sharoni. Irgendwann musste ich es schließlich tun. Sie war meine beste Freundin.
    Wir waren unterwegs zu Jonathan. Der Motor von Sharonis Lieferwagen dröhnte wie immer, es lief Back to Earth, eine alte CD von Cat Stevens. Obwohl er heute ein durchgeknallter Moslem ist und sich anders nennt, verehrt Sharoni seine alten Lieder, Lady D’Arbanville, Wild World und so weiter.
    »Abgefahren«, sagte sie, als ich alles erzählt hatte.
    »Findest du?«
    »Irgendwie ja und irgendwie nein«, gestand Sharoni und fädelte sich in den Verkehr ein, der zur Klinik führte.
    »Was würdest du – tun, wenn es dir passiert wäre?«, fragte ich leise und dann lauter, weil man mit leiser Stimme gegen Shars alten Morris-Kastenwagen keine Chance hatte.
    »Ist es sicher? Ich meine, ist es wirklich ein Fakt, dass du – vertauscht bist?«, fragte Shar zurück.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Sie behaupten es. Meine Eltern und diese Leute vom Krankenhaus …«
    »Mist«, sagte Sharoni nun doch. »Und sie heißt wirklich Sky? Wo wohnt sie noch mal, Han?«
    Ich sagte es ihr.
    »Also, ich würde vorbeifahren. Nur mal so«, sagte Sharoni schließlich, als wir die Klinik schon sahen. Sharoni verließ den Highway und wir bogen zu den Parkplätzen des Kinderkrankenhauses ab.
    »Was soll ich dort?«, fragte ich ablehnend.
    »Ich denke, deine Eltern wollen sowieso hin?«
    Shar steuerte in eine Lücke zwischen zwei Autos. Zum Glück war der Parkplatz weitläufig, der alte Morris hatte nämlich einen Wendekreis wie ein Truck. Sie zog die knarzende Handbremse und nahm den Schlüssel aus dem Zündschloss. »Also, ich würde ihnen zuvorkommen, wenn ich du wäre. Nicht bloß als Anhängsel mitgehen, wenn du verstehst, was ich meine.« Shar sprang aus dem Wagen, ihre Haare klingelten und sie warf ungeduldig ein paar Strähnen zurück.
    Wir liefen nebeneinander den Fußweg entlang, der zum bunt bemalten Klinikeingang führte.
    »Wie nehmen es deine Eltern überhaupt auf? Mann, Han, du warst drei volle Tage nicht in der Schule. Ich habe mir echt schon Sorgen gemacht, weil du so komplett untergetaucht warst. Dein Handy aus. Nicht bei Facebook . Und auch sonst nirgends zu erreichen. Ich dachte, es wäre sonst was passiert!«
    Es war sonst was passiert! Mein Leben war auf den Kopf gestellt. Ich war auf einmal ganz alleine. Alleine auf mich gestellt. Nichts stimmte mehr.
    »Ich musste nachdenken. Ich habe mich schlecht gefühlt. Und alleine«, erklärte ich schließlich leise. »Meine – Mutter – sie ist entweder bei Joni – oder sie weint die ganze Zeit. Und mein Vater spricht kaum ein Wort, seitdem es herausgekommen ist. Alle stehen irgendwie neben sich.«
    »Und David?«, fragte Sharoni.
    »Er gibt sich Mühe«, sagte ich rasch. »Aber er ist auch irgendwie schräg drauf. Vor allem, weil sie eine Deutsche ist, glaube ich.«
    »Das ist allerdings ein Hammer«, sagte Sharoni kopfschüttelnd. »Wenn sie Deutsche ist, bist du ja eigentlich eine Halbdeutsche!«
    »Was ist so schlimm daran?«, sagte ich heftiger, als ich es beabsichtigt hatte.
    »Slow down, Channaleh«, grinste Shar und legte ihren Arm um meine Schulter. »Gar nichts ist schlimm daran …«
    Ich schwieg und Sharoni schwieg ebenfalls, während wir durch die bunte Lobby gingen und in den Klinikaufzug stiegen.
    Esther war früher auch Deutsche gewesen, ehe sie die amerikanische Staatsangehörigkeit annahm. Und Sharonis in Auschwitz gestorbene Urgroßeltern waren Deutsche gewesen, sie hatten in Norddeutschland gelebt. Unsere Mathematiklehrerin stammte aus Bayern. Das liegt im Süden von Deutschland. Mehrere Konzentrationslager hatte es in dieser Gegend gegeben. Dachau zum Beispiel. Das wusste ich von Esther.
    Zvi zauberte gerade eine Dollarnote hinter Jonathans Ohr hervor, als Sharoni und ich hereinkamen.
    »Ich habe lauter Geldscheine hinter den Ohren, Han!«, rief er mir entgegen. »Stell dir vor, schon sieben Stück!«
    Er zeigte sie mir und Zvi winkte uns zu.
    »He, das ist ja toll!«, sagte Shar zu meinem kleinen Bruder und zog sich die Jacke aus. Ich

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