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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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ebenfalls nicht.
    »Sky, um noch mal auf Chrippa zurückzukommen. Sie hat mich gefragt, ob ich inzwischen endlich eigene Freunde hätte. Oder ob ich immer noch dein – Schatten sei …«
    Wir sahen uns an.
    »Bin ich das, Sky? Dein Schatten?« Moons Stimme klang merkwürdig eindringlich.
    »Nein«, sagte ich ärgerlich, obwohl mir ein Gespräch mit Kendra einfiel, das wir vor nicht allzu langer Zeit geführt hatten.
    »Moon hat gar keine eigenen Leute, oder?«, hatte sie gefragt. »Er existiert irgendwie nur durch dich. Kann das sein? Er hängt immer nur mit dir ab.«
    »Nein. Ja. Ich weiß nicht«, hatte ich geantwortet. »Moon ist eben eigen. Er kapselt sich oft ab, ist deprimiert und so. Aber mit mir zusammen ist er lockerer und lustiger. Was ist schlimm daran?«
    Mein Handy piepste und teilte mir mit, dass ich eine SMS erhalten hatte.
    Bist du in den Untergrund gegangen, Sky? Oder vielleicht irgendwie sauer auf mich?, hatte Gershon geschrieben.
    »Wie dem auch sei, sie hat mir dieses Buch empfohlen. – Chrippa, meine ich.«
    Moon deutete auf Licht im August im Gras neben ihm.
    »Es macht mich echt high, es zu lesen. Faulkner muss sich gesagt haben, warum in einem Satz nur ein Adjektiv nehmen, wenn’s auch zwanzig sein können.« Moon lachte leise. »Er war ein Südstaatenautor. Dieses Buch ist Atmosphäre pur, Sky! Wenn ich ihn lese, muss ich jedes Mal sofort selbst schreiben …«
    Ich werde dir alles erklären – versprochen! Sky, tippte ich rasch in mein Sony Ericsson. Irgendwie war ich Gershon das schuldig.
    »Chrippa hast mich übrigens gefragt, ob ich so down bin, weil ich dich vielleicht liebe«, sagte Moon in diesem Moment unvermittelt.
    Ich hob den Kopf.
    Moon starrte an mir vorbei. »Sie meinte nur, weil ich so auf dich fixiert sei. Und du mich dominieren würdest. Und ich dich in jedem zweiten Satz erwähne.«
    »So ein Quatsch«, sagte ich und wurde schon wieder wütend. Auf Moon, auf Chrippa, diese Idiotin, auf die ganze Welt.
    Moon zuckte mit den Achseln. »Klar liebe ich dich«, sagte er dann. »Dich und Rosie. Und sonst keinen. Bisher jedenfalls nicht …«
    Er warf mir einen Blick zu. »Und jetzt … bist du auf einmal nicht mehr – meine Schwester. Das macht alles – eigenartig. Ich … ich meine, verliere ich dich jetzt? Sind wir jetzt weniger? Oder – mehr?«
    »Moon! Moon! Bitte, hör auf«, sagte ich und sprang auf.
    »Das alles geht mir durch den Kopf, Sky«, verteidigte sich Moon und blieb sitzen. Sein letzter Marshmallow war verboten schwarz, aber er biss dennoch hinein.
    »Du wirst dich umbringen«, warnte ich ihn.
    »Und wennschon«, murmelte Moon und seine Stimme klang jetzt ebenfalls gereizt. »Verdammt, Sky, ich habe das alles hier so satt …«
    »Wie Chrippa?«, fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Ja, könnte sein«, war Moons Antwort.
    »Ich gehe rein. Ich habe genug«, murmelte ich und lief hinauf ins Schimmelzimmer. Kendra hatte die hartnäckigen Schimmelflecken an der Wand neben dem Fenster vor ein paar Tagen mit bunter Acrylfarbe in ein skurriles, abstraktes Gemälde verwandelt.
    »Bunte Periode«, hatte sie gemurmelt und mit Goldlack einen goldenen Rahmen darum gezogen.
    »Bunte Periode, goldgerahmt.« Sie lächelte mir zu. »Schimmelzimmer war einmal. Jetzt ist es das bunte Picassozimmer.«
    Mit meinen Büchern, meinen Schulsachen, meinen CDs und DVDs, meinem Laptop und meinem kleinen, selbst gezogenen Ginkgo war das Schimmelzimmer zu ertragen.
    »Das Picassozimmer«, hatte Kendra mich verbessert.
    Mein altes Zimmer stand immer noch leer. Rosie saß in der letzten Zeit manchmal darin und sah sich Kinderbilder von Moon und mir an. Bei Kerzenschein und mit Tee.
    »Und ihr seht euch doch ähnlich«, hatte sie einmal gesagt, als ich an der geöffneten Zimmertür vorüberging. »Ich denke immer noch, dass diese Klinik sich irrt.«
    »Bronchitis, Atemnot, Muskelschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden«, unkte Hamburg/weiblich immer wieder und hielt sich ein Tuch vor Nase und Mund, so oft sie meinte, mich im Schimmelzimmer besuchen kommen zu müssen. Und Hamburg/männlich hatte mir einen Artikel Krank durch Schimmelpilze? aus dem Internet ausgedruckt.
    Ich schaltete mein Laptop ein, schob Some like it hot ins DVD-Lauffach und legte mich ins Schimmelzimmergästebett.
    Abschalten. Nicht nachdenken. Überhaupt nicht denken.
    Unten im Garten wurde Moons Feuer kleiner, unruhig flackernde Schatten wanderten über Kendras buntes Schimmelbild.

24. HANNAH
    Alle zwei Jahre

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