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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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aufgeregt.
    »Ich freue mich, dich endlich zu treffen, kennenzulernen – Sky …«, sagte er dennoch und drückte meine Hand. »Besser wäre natürlich ein anderer Anlass gewesen. Und ein besserer Ort. Und überhaupt. Ich wünschte, wir hätten uns wenigstens schon vor ein paar Tagen getroffen. Nicht erst jetzt, nicht erst hier. Ich …«
    Er fing an zu weinen und Delia nahm ihn in den Arm.
    »Bitte entschuldige«, sagte er zu mir.
    »Ist schon gut«, sagte ich nervös und lehnte mich an Leek.
    Danach ging alles ganz schnell. Alle mussten gehen und mich steckten sie in einen OP-Kittel. Mehr weiß ich nicht.
    Als ich wieder aufwachte, war es dämmrig um mich herum und Moon saß neben mir. Düster starrte er vor sich hin. Eine dünne, schwermütige Brudersilhouette, beziehungsweise Exbrudersilhouette. Das Klinikfenster stand offen, ein paar Vögel schwebten träge über den milchig aussehenden Himmel. Ich hörte sie zwitschern. Über meinem Kopf, an der grauen Zimmerdecke, summten ein paar Fliegen, die das letzte Sonnenlicht zu nutzen schienen. Bald würde es dunkel werden.
    »Hey, Sky«, sagte Moon.
    »Hey, Moon«, sagte ich.
    Er fuhr sich über das angespannte Gesicht.
    »Wir haben uns praktisch darum duelliert, wer hier sitzen darf, bis du aufwachst. Ich habe gewonnen, wie du siehst.«
    Ich lächelte schwach.
    »Wer hat sich praktisch duelliert?«
    Moon zuckte mit den Schultern. »Alle. Leek. Rosie. Diese – Mrs Greenberg. Kendra. Und ich …«
    Moon streichelte für einen Moment mit seinem Zeigefinger meinen Zeigefinger. In meinem Arm steckte, wie beim Greenbergkind, ein Infusionsschlauch. In dem Moment öffnete sich die Zimmertür und eine Schwester kam herein.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie mich. Ich sollte zur Kontrolle über Nacht in der Klinik bleiben.
    »Sie warten alle unten«, warnte Moon mich, als er nach den Untersuchungen, zu denen sie ihn hinausgeschickt hatten, wieder an mein Bett trat.
    »Du hast sie gesehen?«, fragte ich und nahm einen Schluck aus der Teetasse, die neben mir auf dem Nachttisch stand. Ich hatte einen ganz trockenen Mund und mir war noch ein bisschen flau zumute.
    Moon nickte.
    »Und?«
    Moon zuckte mit den Schultern. »Irgendwie hat mich keiner wirklich beachtet. Alle waren schrecklich nervös.«
    »Hast du – auch Hannah gesehen?«
    Hannah, seine Schwester.
    Moon schüttelte den Kopf. »Sie und irgendwelche Großeltern aus Israel und der Geigenbauer sind bei dem Kind …«
    Ach natürlich, Jonathan. Ihn hatte ich in der Aufregung fast vergessen.
    »Wie geht es ihm?«
    »Keine Ahnung, Sky«, sagte Moon müde. »Sag mal, hast du nicht auch das Gefühl, dass alles zerfällt, irgendwie?«
    Ich schüttelte den Kopf. »He, Moon, du hast es geschafft, Hamburg rauszuschmeißen. Das hatten wir noch nie!«
    Moon gab keine Antwort. Er starrte nur stumm aus dem immer noch offenen Fenster. Die Vögel waren in der Zwischenzeit allerdings verschwunden. Woran er wohl dachte? Sein T-Shirt und seine Arme waren ungewohnt unbeschriftet, er saß nur da, das Kinn in die Hände gestützt, und rührte sich nicht.
    Irgendwann stand er auf, lächelte mir vage zu, hob grüßend die Hand und ging.
    Später kamen Rosie und Mrs Greenberg. Delia. Verlegen sahen wir uns in dieser Konstellation an.
    »Danke, Sky«, sagte Delia leise.
    »Ich liebe dich, Darling«, sagte Rosie etwas lauter.
    Delia trug wieder eine einfache Jeans und dazu eine weiße Bluse und Rosie trug ihr apfelgrünes Strickkleid, das ich so mochte. Und dazu ihre rosa Clogs.
    Sie sah bunt, rührend, aufgeregt und erschöpft aus. Zwischen ihren Augen war eine kleine, angespannte senkrechte Falte.
    »Wie geht es dir? Hast du – Schmerzen, Sky?«, erkundigte sich Delia besorgt.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Alles in Ordnung«, beruhigte ich sie. »Wie geht es Jonathan?«
    Das Greenbergkind wurde noch behandelt. Er bekam mein gesundes Knochenmark, damit sein Körper in Zukunft dieses fehlende Körperenzym würde produzieren können.
    Delia und Rosie behandelten mich beide wie ein rohes Ei.
    Rosie, unendlich vertraut, roch nach Cannabis und Patschuli, Delia roch, soweit ich es riechen konnte, nach sich selbst.
    Ob meine Mutter Hannah schon getroffen hatte? Ich traute mich nicht, diese Frage zu stellen. Mein Rücken begann zu schmerzen. Das waren die Nachwirkungen der Operation, wie eine Ärztin mir erklärt hatte.
    »Ich würde gerne so viel über dich wissen, Sky«, sagte Delia seufzend. »Ich weiß – so wenig. – Hast du einen Wunsch?

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