Wenn du mich brauchst
sein. Du siehst ziemlich mitgenommen aus.«
Ich trank einen kleinen Schluck, stellte die Dose zurück und bediente anschließend gleichzeitig mein Handy und das schnurlose Festnetztelefon. Über das Festnetz drückte ich die Kurzwahlnummer, die zu Old Niall führte, und über mein Sony Ericsson versuchte ich, Moon zu erreichen.
»Na toll«, murmelte ich, weil Old Niall nicht an seinen Apparat ging und Moons mobiles Telefon abgestellt war. – Wieso war es abgestellt? Moon lebte praktisch durch sein iPhone. Er stellte es im Normalfall niemals aus. Was war da los?
Ich probierte es ersatzweise bei Rosie und ließ es sehr lange klingeln, aber sie hielt es wie Old Niall. Sie nahm den Hörer nicht ab.
Auch Leek war nicht zu erreichen. Genervt würgte ich seinen Anrufbeantworter in Venice ab. Auf ABs hatte ich jetzt keinen Nerv mehr. Sprach denn hier niemand mehr persönlich mit mir?
»Na, dann eben nicht«, murmelte ich ärgerlich. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als rückten die Wände unseres Haues, die ohnehin schon eng genug waren, näher. Dieses Haus war definitiv zu klein, wenn man in Panik geriet. Und irgendwie geriet ich allmählich in Panik. War das vielleicht ein Anfall von Klaustrophobie?
»Gershon, wollen wir an den Strand fahren?«, fragte ich und tastete bereits in meiner Jeanstasche nach meinem Hausschlüssel. Ich war nicht Rosie, ich würde das Haus jedenfalls nicht völlig unverschlossen alleine lassen.
»Definitiv zu heiß für den Strand«, sagte Gershon.
»Vielleicht in die Mall?«
»Sorry, Sky, aber ich hasse Einkaufszentren. Ich weiß, jetzt oute ich mich als die komplette Spaßbremse, aber …«
»Nein, ist schon okay«, unterbrach ich ihn hastig. »Dann – zu dir? Wäre das in Ordnung? Ich muss hier mal raus, verstehst du?«
Gershon nickte und legte leicht seinen Arm um meine Schulter. »Dann mal los, Sky Lovell. – Ein Novum. Du bist das erste nichtjüdische Mädchen, das ich mit nach Hause bringe …«
Diese Worte drehten sich wie ein Kreisel in meinem Kopf, während ich zu ihm ins Auto stieg.
In diesem Moment begannen meine Wale zu singen.
»Was ist das, verdammt?«, erkundigte sich Gershon verwundert und warf mir einen Blick zu, während er den Hillcrest Drive entlangfuhr. Ich zog mein summendes Handy aus der Tasche.
»Lass mich raten. Dein Klingelton sind ein paar bekiffte, singende tibetische Mönche?«
Ich schüttelte den Kopf und sah auf das Display. In was für einer schönen neuen Welt lebten wir eigentlich mittlerweile? Ich hatte das unheimliche Gefühl, nur noch mit Telefonen und Displays und elektrischen Anrufbeantwortern zu kommunizieren. Ich war froh darüber, dass wenigstens Gershon, offenbar der letzte Homo sapiens außer mir, an meiner Seite saß.
»Wale«, sagte ich erklärend und nahm das Gespräch an.
Smart Foods stand als Anrufernummer auf meinem Handydisplay. Das musste Moon sein, der von der Arbeit aus anrief.
Aber es war nicht Moon. Es war Kimberley, seine Barbiechefin. Und sie wünschte ebenso wie ich zu erfahren, wo Moon sich herumtrieb.
»Ich warte schon über eine Stunde auf ihn«, erklärte sie mir wütend. »Hier brummt der Laden und der Herr zieht es anscheinend vor, sich irgendwo gemütlich in der Sonne zu aalen. Verdammt, das war doch bisher nicht seine Art, Sky! Was ist bloß in ihn gefahren in der letzten Zeit? Dauernd diese Leichenbittermiene – und jetzt das!«
Nach diesem Telefonat war mir noch unwohler zumute als vorher. Wo Moon wohl steckte? Sogar Kimberly war anscheinend aufgefallen, dass er sich in den vergangenen Wochen verändert hatte. Plötzlich kam mir ein Gedanke. Vielleicht war er bei dieser Chrippa, dem Punkmädchen mit den grünen Haaren.
Gershon war unterdessen auf den Hollywood Freeway Richtung Burbank und Sepulveda abgebogen. Er wohnte in Fernando Valley, dort wo auch Kendras Familie ihr Anwesen hatte.
Wenig später waren wir da. Ich betrachtete Gershons Zuhause, eine noble viktorianische Villa inmitten eines großen, mit eindrucksvollen Bäumen bestandenen Gartens.
»Sieht nur von außen pompös aus«, erklärte Gershon eine Spur entschuldigend und schloss die zweiflügelige Haustür auf. Sie knarrte in den Angeln. »Ist alles nur Schein.«
Wir betraten eine Halle, die über drei Stockwerke reichte. Ich sah mich beeindruckt um. Ein Treppenaufgang mit schmiedeeisernem Geländer wand sich in den ersten Stock.
»Das ist ja riesig«, sagte ich zu Gershon, der beim Eintreten ein kleines Kästchen, das am Türpfosten
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