Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
biss und mit mir selbst rang. Schließlich nickte ich. » Joshua, in der Nacht meines Todes war ich auf einer Party zu meinem Geburtstag auf der High Bridge. Die Party … na ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass die Party der Grund ist, weshalb ich gestorben bin. Und Eli und seine Lakaien haben das Ganze bewerkstelligt.«
Joshua war praktisch anzuhören, wie sich seine Gedanken verdüsterten. » Was genau hat das für uns jetzt zu bedeuten?«, fragte er leise.
» Ich habe keine Ahnung. Vielleicht nichts. Aber ich habe ein merkwürdiges Gefühl bei der Sache. Was, wenn Eli versucht, uns auf anderem Wege eins auszuwischen? Wie etwa vielleicht durch diese Party und was er den Leuten dort antun könnte?«
» Glaubst du wirklich, dass er das tun würde?«
» Ich weiß es nicht – im Moment scheint nichts unter seiner Würde zu sein.«
Ein jähes elektronisches Piepsen unterbrach meine Sorgen. Joshua schien das Geräusch ebenfalls zu überraschen, denn er richtete sich zu schnell auf und stieß mich dabei an.
Es piepste wieder, nachdrücklich, also griff er in die Tasche und zog sein Handy heraus. Er klappte das winzige Gerät auf und drückte auf den Tasten herum.
» Es ist eine SMS von Jillian, die mich auf die Party einlädt.«
» Eine SMS?«
» Das ist wie eine E-Mail, aber per Telefon«, murmelte er, offensichtlich im Moment nicht daran interessiert, mir Technisches zu erklären. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Ebenso wenig überraschte es mich, als er, nachdem er die Nachricht gelesen hatte, den Mund verzog und mich weniger fest hielt.
» Wo soll die Party denn stattfinden?«, fragte ich und schloss angstvoll die Augen. Ich verspürte einen seltsamen, unvermittelten Schmerz an den Schläfen, als wäre selbiger eine Reaktion auf meine Befürchtungen.
» High Bridge Road.«
Alles kam quietschend zum Stillstand. Nichts hatte sich bewegt, und nichts hatte sich verändert, doch ich hatte das Gefühl, genau in dem Augenblick vor einer Atombombenexplosion am Bodennullpunkt zu sitzen.
» Joshua?«, flüsterte ich.
Er schüttelte leicht den Kopf, bevor er zu mir aufblickte. Seine Gefühle waren ihm leicht von den Augen abzulesen: Unsicherheit, ja, aber auch tiefe, wachsende Angst.
Wir starrten einander weiter an, beide vorübergehend bewegungslos. In Sekundenschnelle jagte mir ein Schwall von Gedanken durch den Kopf. Wie schnell konnte Joshua zum Fluss gelangen? Hatte Eli etwas mit der Sache zu tun? Und wenn dem so war, was konnte ich tun, um ihn aufzuhalten?
In meinem Kopf machte sich nun ein intensiver pochender Schmerz breit. Nur Joshuas Stimme durchbrach das Dröhnen.
» Hast du Lust, auf eine Party zu gehen?«, flüsterte er mit leicht panischer Stimme.
» Das halte ich für einen guten Plan«, flüsterte ich zurück. Ohne ein weiteres Wort waren wir beide auf den Beinen und rannten auf den Eingang des Friedhofs zu.
» Ich fahre«, rief Joshua zu mir zurück.
» Dann fahr, so schnell du nur …«
Ein Feuerstoß, hell und weniger als fünfzehn Meter entfernt, beendete meinen Satz und ließ uns beide jäh innehalten.
25
E inen Augenblick dachte ich, etwas auf dem Friedhof – möglicherweise ein Baum – habe Feuer gefangen, doch dann wurde mir klar, dass es sich bei den Geräuschen, die das Licht begleiteten, nicht um ein feuriges Zischen handelte. Es handelte sich um menschliches Gemurmel.
Singsang.
Die Flammen leuchteten hell, und die Sonne war beinahe untergegangen, sodass ich blinzeln musste, um die düsteren Gestalten der Singenden auszumachen, die innerhalb des eisernen Friedhofzauns standen. Zuerst ergab die Szene keinen Sinn. Doch als ich zum Nachthimmel aufblickte, zu dem abnehmenden sichelförmigen Mond, der dort hing, passten die Teile des Puzzles allmählich zusammen, bis …
» Joshua, die Jagd auf mich!«, keuchte ich. » Sie soll heute Abend stattfinden.«
In meiner Eile, mich um Eli zu kümmern, hatte ich die Jagd völlig vergessen. Doch Ruth und die übrigen Seher offensichtlich nicht. Wahrscheinlich waren sie Joshua heute Abend hierher gefolgt, weil sie wussten, dass er sie direkt zu mir führen würde.
Jetzt pochte der Schmerz in meinen Schläfen im Rhythmus ihrer Stimmen. Er musste eingesetzt haben, als sie mit ihrem Singsang begannen, bevor wir sie bemerkt hatten.
Mit einem Ächzen packte mich Joshua an der Hand, um mich über den Friedhof zu zerren, zu dem kleinen Hügel in der Nähe des Tores. Dort hatten sich etwa zehn Leute versammelt. Außer Ruth hielt jeder eine
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