Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
wäre, stimmt’s?«
Er lachte, rieb sich mit der Handfläche über den Oberschenkel und hob die Hand dann gen Himmel, als wolle er dem Himmel dieselbe Frage stellen. » Wer weiß? Vielleicht sind wir beide verrückt. Aber ich hoffe doch, dass ich nicht nur mit mir selbst auf einer Parkbank rede.«
» Tja, wahrscheinlich sieht es so aus, weißt du?«
» Ha!« Er runzelte die Stirn. » Das ist mir noch gar nicht wirklich in den Sinn gekommen.« Er warf einen Blick auf die Lichtung und sah erleichtert aus, weil die Umgebung menschenleer war. » In der Hinsicht werden wir vorsichtig sein müssen, nicht wahr?«
» Werden wir?« Ich brachte die Frage geradezu krächzend hervor. » Es wird also zukünftige Gespräche geben … und in der Öffentlichkeit?«
» Natürlich.« Er schüttelte ungeduldig den Kopf und wechselte dann abrupt das Thema. » Bin ich also wirklich der einzige Mensch, der dich sehen kann?«
» Der einzige lebende Mensch«, schränkte ich ein.
» Was ist mit anderen Toten?«
Angesichts seiner Frage und des Umstands, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, welche Regeln in dieser Situation galten, überkam mich Unbehagen. Denn ich wusste nur von einer einzigen anderen Seele, die möglicherweise die Antwort kannte – Eli. Eli, der mich offensichtlich sehen konnte und den ich jetzt ebenfalls sehen konnte. Eli würde mir vielleicht jedes » Wie« und » Warum« bezüglich dessen erklären können, was zwischen Joshua und mir passierte. Doch bei der Vorstellung, mit ihm in Kontakt zu treten, schüttelte ich heftig den Kopf. Insgeheim schwor ich mir, niemals Elis Prophezeiung wahr werden zu lassen, dass ich ihn freiwillig aufsuchen würde. Ebenso wenig würde ich erlauben, dass Joshua von Eli erfuhr, sofern es in meiner Macht stand.
» Da bin ich mir nicht so sicher«, antwortete ich vorsichtig. » In der Richtung habe ich noch nicht viele Erfahrungen gemacht.«
» Hmm.« Joshua überdachte meine Erwiderung kurz. Ich erwartete so etwas wie eine Zusatzfrage, eine, die gewiss schwerer zu beantworten wäre, doch er fragte mich etwas ganz anderes.
» Bloß aus Neugier – warum hast du mich gefragt, wie du aussiehst? Als wir gestern auf der Brücke waren.«
Auf die Frage war ich auch nicht vorbereitet. Ich hob die Hand vor den Mund. » Herrgott, Joshua, muss ich das wirklich beantworten?« Meine Worte kamen gedämpft hervor, und sie waren voller Verlegenheit. Doch er starrte mich nur erwartungsvoll an, also ließ ich die Hand seufzend sinken. » Es hat wohl damit zu tun, dass ich keine Ahnung habe, wie ich aussehe.«
Er blinzelte. » Meinst du das ernst?«
» Ähm, ja, klar.«
» Kein Spiegelbild?«
» Nein, nicht dass ich je eines gesehen hätte. Ich meine, ich kann einen Teil von mir ohne Spiegel sehen.« Ich wies nach unten auf meine Kleidung und dann nach oben auf meine Haare. » Ich kann mich bloß nicht daran erinnern, wie mein Gesicht aussieht. Ich glaube, ich habe es irgendwie … vergessen.«
» Wow«, hauchte er.
» Ich weiß.« Ich seufzte erneut. » Unglaublich peinlich, stimmt’s?«
Joshua antwortete mir nicht. Stattdessen saß er vollkommen reglos und still da und dachte wer weiß was. Ich war zu verlegen, um etwas zu sagen, und er starrte mich so eindringlich an, dass er mich selbstverständlich noch mehr aus der Fassung brachte.
Nach einer Weile brach er das Schweigen. » Ich habe gestern nicht gelogen, als ich gesagt habe, dass du wunderschön bist.«
Wow!
» Oh«, sagte ich laut und musterte die hauchdünne Tüllschicht meines Rockes. Als ich Joshua einen raschen Blick zuwarf, sah ich, dass er mich angrinste.
» Soll ich fortfahren?«, fragte er.
Ich hätte schwören können, dass in seiner Frage ein beinahe neckischer Unterton mitschwang. Ich zuckte so beiläufig wie möglich mit den Schultern, während ich am liebsten kichernd auf und ab gehüpft oder im Erdboden versunken wäre.
» Deine Haare sind dunkelbraun und gewellt«, sagte er unbekümmert, als liste er das Inventar eines Ladens auf. » Du bist blass, aber du hast ein paar Sommersprossen auf der Nase. Deine Augen sind richtig grün, gerade so wie Blätter. Und dein Mund … na ja, dein Mund ist … hübsch.«
Hätte ich erröten können, hätte ich es getan.
» Oh«, wiederholte ich. Diese eine Silbe schien alles zu sein, was ich im Moment zustande brachte. Joshua musterte mein Gesicht, sah möglicherweise mein Unbehagen und grinste.
» Also dein Kleid gibt ein interessantes Statement ab«, neckte er
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