Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hudson
Vom Netzwerk:
mich.
    Ruckartig schlug ich die Augen auf.
    Zuerst konnte ich nichts fühlen oder sehen. Alles war taub und schwarz. Dann gewöhnten sich meine Augen allmählich, unter Schmerzen, an ihre neue Umgebung.
    Wo auch immer ich jetzt saß, es war dort nicht so schwarz, wie ich ursprünglich gedacht hatte. An diesem neuen Ort war es nur sehr, sehr dunkel.
    Irgendwo zu meiner Rechten erklang ein Vogelschrei, und mein Kopf zuckte in Richtung des Geräusches. Die Bewegung brachte dunkle Formen in Sicht, die sich um mich her erhoben. Als sich meine Augen allmählich umstellten, konnte ich vage die Umrisse der Formen ausmachen. Bei den hohen handelte es sich um Bäume, die sich dem Boden zuneigten. Die kleineren waren weniger einheitlich: Manche waren zwar unten breit, verjüngten sich jedoch nach oben hin wie Obelisken; manche bildeten niedrige Halbkreise über dem Gras. Welche Formen diese kleineren Gegenstände auch immer hatten, bei ihnen allen handelte es sich zweifellos um Grabsteine.
    Ich hatte es geschafft.
    Ich hatte mich kraft meines Willens auf den Friedhof ein paar Stunden vor Tagesanbruch versetzt.
    Ein scharfer, bitterkalter Wind packte mich, peitschte über meine Wangen und wirbelte meine Haare in die Luft. Als der Wind erstarb, kam eine trockene Stimme aus der Dunkelheit.
    » Du bist früh dran, Amelia Ashley.«
    » Tja«, sagte ich bebend und gab mir alle Mühe, ruhig zu klingen, während ich mich abstützte und aufrichtete. » Was soll ich sagen? Ich bin eben ein pünktliches Mädchen.« Dann zögerte ich. » Warte mal … du hast eben meinen Nachnamen gesagt, nicht wahr?«
    Eli trat aus dem Schatten eines Baums, sodass er undeutlich zu sehen war.
    » Ganz richtig, Amelia«, sagte er. » Woher kenne ich deinen Nachnamen? Und woher weiß ich, dass dies hier der Friedhof ist, auf dem du nach all deinen versehentlichen Dematerialisationen aufwachst?«
    Mir wurde übel.
    In meiner Eile, das hier über die Bühne zu bringen und Joshua dabei zu verschonen, hatte ich mir diese Einzelheit überhaupt nicht durch den Kopf gehen lassen. Dein Friedhof, hatte Eli gesagt. Er hätte eigentlich von keinem Friedhof wissen sollen. Es sei denn …
    » Du hast mich wieder angelogen, nicht wahr? Du weißt mehr über mein Leben, als du zugibst.«
    » Nur ein kleines bisschen.«
    » Wie viel ist ein kleines bisschen?«, wollte ich wissen.
    » Tja, wieso drehst du dich nicht um und siehst dir die Grabplatte an, auf der du beinahe liegst? Das sollte einiges erklären.«
    Ich wollte den Blick nicht von Elis Gesicht abwenden. Ich wollte Eli nicht aus den Augen lassen, wo es doch so wahrscheinlich war, dass er noch eine böse Überraschung für mich geplant hatte. Doch mein Kopf schien anderen Kräften zu gehorchen. Er drehte sich langsam, bis ich zu dem Stück Rasen direkt hinter mir blickte.
    Ich hatte nie lange genug auf diesem Friedhof bleiben wollen, um mir seine Grabsteine anzusehen oder mein eigenes Grab zu suchen. Dass man mich hier begraben hatte, hatte ich lediglich angenommen, und diese Annahme war Grund genug, jedes Mal, wenn ich an diesem Ort erwachte, wegzulaufen.
    Außerdem nahm ich an, dass ich mein Grab, sollte ich einmal darüber stolpern, wahrscheinlich vom hohen Gras überwuchert vorfände. Ich weiß nicht, was mich zu dieser Annahme bewogen hatte. Doch in den langen Jahren seit meinem Tod hatte ich meine Eltern und ihre Liebe zu mir vergessen. In meiner deprimierten, einsamen Gedankenwelt ergab es nur Sinn, dass meine Hinterbliebenen, wer auch immer sie sein mochten, sich weder an mich noch mein Grab erinnerten.
    Das kleine, gut gehegte Fleckchen Friedhof, das ich jetzt betrachtete, bewies, dass diese letzte Annahme falsch war. Und trotz dieser Tatsache – trotz der offensichtlichen Liebe, mit der das Grab gepflegt wurde – brach mir eben sein Erscheinungsbild das Herz in eine Million Stücke.
    Hinter mir lag eine Betonplatte flach auf der Erde. Beton vermutlich wohl, weil sich meine Eltern nicht viel anderes hatten leisten können. Jemand hatte sorgfältig das Gras von der Platte entfernt und alles tote Laub weggefegt. Am Fuß des Steins stand ein Keramiktopf voller seidener Gänseblümchen.
    Einfache Blockbuchstaben waren in die Oberfläche der Platte eingeprägt, und bis auf die letzte Zeile las sich das Geschriebene im Grunde wie der Text in meinem Abschlussjahrbuch:
    Amelia Elizabeth Ashley
    30. April 1981 – 30. April 1999
    Geliebte Tochter in alle Ewigkeit
    Beim Anblick dieser Worte konnte ich mir nur das

Weitere Kostenlose Bücher