Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
nützlich sein. Ein netter Zuwachs für mein kleines Heer.«
Meiner Kehle entrang sich ein heiserer Laut. Mit ein wenig mehr Kraft dahinter konnte aus dem Laut ohne Weiteres ein Fauchen werden.
Joshua blinzelte mich an, doch Eli lachte nur leise vor sich hin: » Amelia, Amelia. Ich bin bei deiner zweiten Geburt dabei gewesen – wie könnte mir irgendein kleines Geräusch, das du von dir gibst, Angst einjagen?«
Dann entspannte sich seine Miene plötzlich. Die seltsamen, wilden Falten um seinen Mund und die Augen glätteten sich, und er setzte wieder das träge Grinsen auf.
» Also«, sagte er langgezogen und steckte die Hände in die Taschen. » Denk über das, was ich gesagt habe, nach. Dir ist nur ein Weg vom Schicksal vorherbestimmt, wie du deine Zukunft verbringen wirst. Das heißt, wenn du willst, dass der Junge überhaupt eine Zukunft hat.«
Ich fauchte los, doch Eli unterbrach mich.
» Morgen bei Tagesanbruch. Auf deinem Friedhof.«
Er bedachte mich mit einem letzten abscheulichen Zwinkern, verschwand dann und ließ nichts als die nächtliche Dunkelheit zurück.
22
Joshua beugte sich über seinen Kaffee – den letzten Rest der Kanne, für die er sich etliche Stunden, nachdem seine Familie zu Bett gegangen war, ins Haus geschlichen hatte. Wir wollten beide heute Nacht nicht einschlafen, doch im Gegensatz zu mir genoss Joshua nicht den Luxus beinahe permanenter Schlaflosigkeit. Er würde sich mit Koffein behelfen müssen.
» Nein, Amelia«, murmelte er in seine Tasse und rieb sich die müden Augen. Er schüttelte den Kopf so heftig, wie es morgens um half fünf eben ging. » Ich halte es immer noch für eine furchtbare Idee.«
» Hast du denn eine bessere?«, fuhr ich ihn an. Ich bereute meinen Tonfall auf der Stelle und fuhr entschuldigend mit der Hand seinen Arm hinab. » Tut mir leid, Joshua, wirklich. Aber ich sehe einfach keine andere Möglichkeit.«
Ehrlich gesagt hatte es den Anschein, als hätten wir in vielerlei Hinsicht keine Wahl mehr.
Zum einen saßen wir, anstatt uns in Joshuas Bett aneinanderzukuscheln, dicht beieinander auf den untersten Stufen der Treppe zur Gartenlaube hinter dem Haus. Nach Elis Verschwinden hatten Joshua und ich ins Haus gewollt, aber etwas hatte mich jedes Mal, wenn ich es versuchte, davon abgehalten. Eine kurze Untersuchung des Bodens verriet den Grund: Eine Schicht grauen Kreidestaubs umgab sämtliche Eingänge des Hauses der Mayhews, wahrscheinlich am Tage dort von Ruth verstreut. Die Kreide versperrte mir den Zugang wie eine unsichtbare Mauer. Selbst als Joshua die Kreide wegfegte, blieb die magische Barriere intakt. Als müsste ich noch extra an die schmerzhafte Jagd – und vielleicht permanente Vertreibung – erinnert werden, die mich kommende Nacht erwartete.
Dabei wog meine Furcht vor Eli derzeit schwerer als mein Problem mit Ruth, da ich an der Aufrichtigkeit seiner Drohungen bezüglich Joshua keinen Zweifel hegte. Ich hatte Joshua alles erklärt: Elis verrücktes Bedürfnis, mich zu besitzen, sein eisernes Beharren, dass es mir beschieden war, böse zu werden und ihm zu dienen, selbst seine Rolle bei Joshuas Unfall.
Joshua blieb jedoch unbeeindruckt.
» Wie kann ein Treffen mit diesem Kerl – allein, auf einem Friedhof – unsere einzige Wahlmöglichkeit sein?«, wollte er wissen. » Und wie kannst du auch nur mit dem Gedanken spielen, seinen Wünschen nachzugeben?«
» Wie sollte ich denn nicht?« Ächzend ließ ich mich auf die Stufen der Laube niedersinken. Ich starrte Joshua an, der sich an einen hölzernen Pfosten lehnte. » Du weißt doch, dass Eli uns nicht in Ruhe lassen wird, bis ich wieder mit ihm rede.«
» Na und? Soll er doch versuchen, sich mit uns anzulegen.«
» Joshua, das ist sehr mutig von dir, aber könnten wir bitte vermeiden, einen toten Typen sauer zu machen, der nach Belieben verschwinden kann? Gott weiß, wozu er sonst noch fähig ist.«
Joshua schnaubte verächtlich. » Oh, verschwinden. Echt gruselig.«
Doch selbst aus Joshuas Sarkasmus war ein leichter Hauch von Unsicherheit herauszuhören. Ich ließ nicht locker.
» Ja, genau, verschwinden. Nach Belieben. Etwas, was ich noch nicht kann. Und ich glaube nicht, dass er gelogen hat, als er sagte, er habe noch weitere Tricks in petto.«
Auf einmal war Joshua hellwach. Er beugte sich rasch vor, packte mich an den Hüften und zog mich näher zu sich. Als sich unsere Knie beinahe berührten, hielt er inne, ließ aber die Hände um meine Taille.
» Genau, Amelia!«,
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