Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
Wilburton Highschool. Vorn an meinem Schließfach klebte eine kleine, mit Comicballons verzierte Karte. Ich musste sie nicht öffnen, um zu wissen, wer sie dorthin geklebt hatte. Ebenso wenig überraschte es mich sonderlich, als die Person, von der die Karte stammte, hinter mir zur Begrüßung aufkreischte.
» Happy birthday, Birthday-Girl!«
Mit einem breiten Grinsen wirbelte ich herum. » Serena, du bist dieses Halbjahr schon ungefähr neunzig Mal zu spät gekommen. Meinst du nicht, du solltest längst im Klassenzimmer sein?«
Sie erwiderte mein Grinsen und blies sich dann eine blonde Strähne aus dem Auge. » Nicht am Burzeltag meiner besten Freundin.« Sie ließ sich gegen die Spindreihe sinken und schlug mit der Papiertüte in ihrer Hand gegen die Türen.
» Was soll die Tüte?«, fragte ich. » Und der Trenchcoat?«
Mit der freien Hand zupfte Serena am Gürtel ihres khakifarbenen Mantels, und er ging auf. Darunter trug sie ein rosafarbenes Kleid, das eine echte Gratwanderung zwischen sexy und ordinär darstellte. Das enge Oberteil war für meinen Geschmack ein wenig zu tief ausgeschnitten und der Rock ein Stückchen zu kurz.
» Hallo, du heißer Feger«, krähte ich.
» Schön, dass du es billigst.« Sie warf mir die Tüte zu, und ich fing sie in der Luft auf. » Hier ist deines für heute Abend. Hoffentlich magst du trägerlos.«
» Serena, ich kann nicht …«
» Doch, du kannst«, knurrte sie gespielt wild.
» Okay, okay.« Ich lachte. » Aber was meinst du mit › heute Abend‹?«
» Du hast doch wohl nicht gedacht, du könntest einer meiner berüchtigten Partys entgehen, oder? Besonders zu deinem achtzehnten Geburtstag. Das ist ja wohl obligatorisch.«
Ich stöhnte, mehr Zugeständnis als Protest. »Schön. Wann und wo?«
Sie bedachte mich mit einem schalkhaften Grinsen – einem, das mir aus irgendeinem seltsamen Grund Unbehagen bereitete.
» Sag ich dir nicht, Amelia, Baby. Ich hol dich bloß um acht ab und begleite dich zur besten Party des Jahres. Natürlich nachdem ich deine Mom zu einer absolut verantwortungslosen Sperrstunde überredet habe.«
» Du wirst einen unserer Riesenstreits lostreten, wenn du das machst.«
Serena zuckte jedoch bloß mit den Schultern, unbekümmert, was mein Familiendrama betraf.
Ich lachte erneut, doch diesmal unsicherer. » Wirklich, Serena. Ich muss wissen, wo die Party stattfinden wird.«
Sie schüttelte den Kopf und zwinkerte. » Nö. Und jetzt halt den Mund, damit ich Doug suchen und sehen kann, ob er das Kleid auch gutheißt.«
Auf einmal sprang die Rückblende etliche Stunden vorwärts. Die Bilder verschwammen um mich her, bis ich wieder klarer sah und feststellte, dass ich in einer großen Menschenmenge stand.
Ja, in einer riesigen Menschenmenge. Unzählige Leute umgaben mich, lächelten und lachten und drängten sich um etwas, was nach einem kleinen Bierfass aussah. Manche waren Freunde von mir, die ich von Freizeitaktivitäten während des Unterrichts zu Hause wie auch von der Wilburton High kannte. Bei den meisten Partygästen handelte es sich jedoch um Wildfremde.
» Serena«, sagte ich durch zusammengebissene Zähne. » Wer sind all diese Leute?«
Serena hüpfte neben mir her, hyperaktiv und wahrscheinlich ein wenig beschwipst. Sie reichte mir ihren Becher, und ich trank nervös einen Schluck.
» Freunde«, kicherte Serena. » Oder, na ja, die ganze Wilburton High. Also … potenzielle Freunde?«
» Steckt da etwa Doug dahinter?« Ich gab ihr den Becher zurück und strich dann nicht vorhandene Falten aus meinem weißen Kleid.
Serenas Wahl, was mein Geburtstags-Outfit betraf, hatte mich nicht wirklich überrascht. Das Kleid war total schön – trägerlos und oben eng anliegend, unten mit zarten Tüllschichten –, aber auch völlig unangemessen. Ich errötete verlegen, als ich an mir hinunterstarrte. Wahrscheinlich sah ich aus, als sei ich auf dem Weg zum Abschlussball.
Ein breiter Arm legte sich um meine Schulter, sodass ich überrascht aufkreischte.
» Natürlich«, sagte Doug und zog mich näher an sich. Er warf mir einen Seitenblick zu. » Hübsches Kleid übrigens.«
Ich entwand mich seinem Arm. » Du weißt doch, dass dir Serenas besser gefällt.«
» Möglich«, überlegte er und schob sich dann an mir vorbei auf Serena zu. Sekunden später hatten die beiden die Arme verschränkt, waren in der Menge verschwunden und ließen mich allein zurück, in einem schönen, aber peinlichen Kleid, auf meiner eigenen Geburtstagsparty.
Weitere Kostenlose Bücher