Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
lockere Art, die man bei manchen Mitgliedern der juristischen Zunft beobachten konnte. Swenson hatte seiner Aktentasche gerade einige Papiere entnommen und richtete sich kerzengerade auf, als Nicola sich zu ihm gesellte und ihm die Stirn bot – oder sich vielmehr vor ihm aufpflanzte, in Anbetracht dessen, dass ihr Kopf ihm gerade bis zum Ellbogen reichte.
»Ach du meine Güte, was ist denn da los?« Christine rückte näher an Neve heran, verfolgte gespannt die Szene.
»Swenson wirkt nicht besonders glücklich«, erwiderte Neve.
»Kann ich gut verstehen. Ist ja auch kein Wunder, bei so einem Mistkerl von Mandanten. Wo mag Richard stecken?«
Neve schwieg. Bei dem Gedanken an Mickey wurde ihr Herz schwer.
»Mal überlegen, wo er sich herumtreiben könnte«, fuhr Christine fort. »Vielleicht verscherbelt er gerade irgendjemandem ein Stück Sumpfland in Florida. Er könnte natürlich auch bei einem Basketballturnier auf einem der begehrten Courtside-Plätze hocken. Oder er befindet sich mit Alyssa auf einer Kreuzfahrt entlang der mexikanischen Riviera. Oder hält einen Plausch mit seinem Busenfreund Senator Sheridan. Oder er hat sich auf eine Sauftour begeben …« Chris schüttelte den Kopf angesichts der Szenarien, die für einen Blender wie Richard typisch waren.
Neve wusste, dass Chris es gut meinte – sie selbst hatte ihrem Frust oft genug auf ähnliche Weise Luft gemacht. Doch heute überwog der Wunsch, Richard möge sich endlich zusammenreißen und Mickey der gute Vater sein, der er vermutlich gerne wäre. Es war ihm nie schwergefallen, seine Tochter zu lieben – sein Problem war, dass er sich nicht am Riemen reißen konnte. Warum konnte er nicht wenigstens den Unterhalt für sie zahlen, wie vom Gericht angeordnet?
Als sich Nicola von Swenson abwandte und mit einem zufriedenen Lächeln auf Neve zuging, öffnete sich die Tür zum Gerichtssaal und der Sheriff winkte sie herein, bevor Nicola sie ins Bild setzen konnte. Inzwischen war der Ablauf zur Routine geworden: Neve und Nicola gingen zum Tisch auf ihrer Seite des Gerichtssaals, Christine nahm in der ersten Reihe hinter der Holzbrüstung Platz und Swenson nahm den zweiten Tisch in Beschlag. Der Einzige, der noch fehlte, war Richard.
»Sind die Parteien bereit?«, fragte der Sheriff.
»Wir sind bereit«, antwortete Nicola, bevor Swenson die Chance hatte, das Wort zu ergreifen.
»Erheben Sie sich!«, donnerte der Sheriff. »Die Sitzung ist eröffnet. Den Vorsitz führt der Ehrenwerte Dennis J. Garrett.«
Der Richter, mit schwarzer Robe, graubraunen Haaren, dicken Brillengläsern und einem borstigen Schnurrbart, betrat den Saal durch die Tür, die in sein Amtszimmer führte. Während der Scheidung hatte Neve mit ihm die ganze Skala der Gefühle erlebt: überschwengliche Freude, als er ihr das alleinige Sorgerecht für Mickey zusprach, blanke Wut, als er Richard einen Anteil am Immobilienbesitz ihres Großvaters zuerkannte, und alle emotionalen Nuancen, die dazwischen lagen. Warum hieß es eigentlich ›Familiengericht‹, wo es doch in Wirklichkeit um einen Ehekrieg und seine Folgen ging, um Familien, die bereits zerbrochen waren?
Garrett spähte über seinen Richtersitz zu Swenson hinüber und runzelte die Stirn.
»Nun, Mr. Swenson. Wo ist Ihr Mandant?«
»Euer Ehren, ich beantrage eine Vertagung …«
»Einspruch«, sagte Nicola. »Mr. Swenson und sein Mandant waren rechtzeitig über die heutige Anhörung informiert und Mr. Hallorans Versäumnis, seinen Kindesunterhaltszahlungen nachzukommen, ist mittlerweile …«
Richter Garrett winkte ab und gebot ihr zu schweigen.
»Wo ist Mr. Halloran?«, fragte er abermals und bedachte Swenson mit einem stählernen Blick. Er erinnerte Neve an einen strengen Vater, der sich zu oft dieselbe lahme Ausrede anhören musste.
»Ich … ich weiß es nicht«, gestand Swenson.
»Er war über die heutige Anhörung informiert?«
»Ja.«
»Dann erlasse ich Haftbefehl. Wegen Nichterscheinen vor Gericht und ausstehender Unterhaltszahlungen. Eine Pfändung seines Gehalts wird ebenfalls veranlasst.«
»Euer Ehren.« Nicola sprang auf. »Da Mr. Halloran selbständig ist und behauptet, mit seiner Immobilienfirma keinen Gewinn zu erzielen, gibt es kein Gehalt, das sich pfänden ließe. Wie Sie unserem Antrag entnehmen können, hat er ebenfalls versäumt, die Krankenversicherung für seine Tochter zu bezahlen, hat es unterlassen …«
»Es reicht, Miss Cerruti. Ich bin im Bilde. Mr. Swenson, ich schlage
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