Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
Kingston, du bist ein Miststück.«
    Als ich das höre, schrecke ich hoch, wache ich auf. Ich muss mich konzentrieren. Juliet ist irgendwo da draußen im Wald, in der Kälte. Sie ist wahrscheinlich auf dem Weg zur Straße. Ich kann sie immer noch finden, mit ihr reden, sie dazu bringen, es zu kapieren.
    Ich lege Alex beide Hände auf die Brust und schubse ihn weg. Er stolpert rückwärts.
    Â»Du bist nicht der Erste, der das sagt. Glaub mir.« Ich dränge mich durch den Flur und bin halb die Treppe runter, als jemand meinen Namen ruft. Ich bleibe abrupt stehen, so dass die Leute hinter mir aneinanderstoßen wie Dominosteine und mich beschimpfen.
    Â»Verdammt noch mal, was ist denn jetzt?« Ich fahre herum und sehe Kent, der übers Geländer springt und sich auf die Treppe schwingt, wobei er beinahe Hanna Goldberg außer Gefecht setzt.
    Â»Du bist gekommen.« Er landet leicht atemlos zwei Stufen über mir. Seine Augen leuchten glücklich. Seine Haare fallen ihm in die Stirn und fangen den Schein der überall herumhängenden Lichterketten ein, der sie mit schokoladen- und karamellfarbenen Flecken überzieht. Ich habe den fast unkontrollierbaren Drang, die Hand auszustrecken und sie ihm hinter die Ohren zu schieben.
    Â»Ich habe doch gesagt, dass ich komme, oder?« Ein dumpfer Schmerz breitet sich in mir aus. Den ganzen Abend – den ganzen Tag – über wollte ich nichts weiter, als so nah neben ihm zu stehen. Und jetzt habe ich keine Zeit. »Hör mal, Kent …«
    Â»Ich hab mir zwar schon gedacht, dass du hier bist, als ich Lindsay & Co. gesehen habe. Ihr seid ja normalerweise im Viererpack unterwegs, stimmt’s? Aber dann habe ich dich gesucht …« Er hält inne und wird rot. »Ich meine, nicht aktiv gesucht. Eigentlich nur den Blick über die Menge schweifen lassen, während ich rumgegangen bin, um mit allen ein bisschen Small Talk zu machen. Das macht man so als Gastgeber. Small Talk. Das heißt, ich habe nur die Augen offen gehalten …«
    Â»Kent.« Meine Stimme klingt scharf, gemein, und ich schließe nur einen Moment die Augen und stelle mir vor, wie es sich angefühlt hat, neben ihm in völliger Dunkelheit zu liegen, stelle mir die Berührung seiner Hand auf meiner vor. Mir kommt plötzlich in den Sinn, wie unmöglich das alles ist – mit uns beiden. Als ich die Augen wieder öffne, steht er einfach da und wartet, eine kleine Falte auf der Stirn: so umwerfend und normal, die Art von Typ, der die Art von Mädchen verdient, die Kaschmirpullis trägt und richtig gut Kreuzworträtsel lösen kann oder Geige spielt oder ehrenamtlich in irgendeiner Suppenküche arbeitet. Irgendjemand Nettes und Normales und Ehrliches. Der Schmerz in mir wird stärker, als wäre jemand dort eingesperrt, der nach meinen Eingeweiden schnappt. Ich wäre niemals gut genug für ihn. Selbst wenn ich denselben Tag bis in alle Ewigkeit leben würde, wäre ich nie gut genug.
    Â»Tut mir leid«, zwinge ich mich zu sagen. »Ich … ich kann jetzt nicht mit dir reden.«
    Â»Aber …« Er zieht die Hände hoch in die Ärmel seines Hemds und sieht unsicher aus.
    Â»Tut mir leid.« Es ist besser so, sage ich beinahe, aber ich nehme mal an, das bringt nichts. Ich drehe mich auch nicht um, obwohl ich spüre, dass er mir nachsieht.
    Draußen ziehe ich meine Fleecejacke an und mache den Reißverschluss bis oben hin zu. Der Regen läuft mir in den Nacken und spritzt in null Komma nichts meine Leggings voll. Wenigstens trage ich heute Abend flache Schuhe. Ich halte mich an die Zufahrt. Der Asphalt ist vereist und ich muss mich im Vorbeigehen an den Autos festhalten. Die Kälte zerrt an meiner Lunge und es ist total seltsam, aber mitten in alldem kommt mir plötzlich dieser blöde, schlichte Gedanke – Ich sollte echt öfter joggen gehen  – und als ich das denke, reißt mich das widerstreitende Verlangen, zu lachen und zu weinen, beinahe auseinander. Aber der Gedanke an Juliet, die neben Route 9 kauert, zusieht, wie die Autos vorbeirasen, und auf Lindsay wartet, lässt mich weitergehen.
    Schließlich verhallen die Geräusche der Party und dann ist es still, abgesehen vom peitschenden Regen, der wie Tausende winziger Glasscherben auf den Asphalt fällt, und dem Klang meiner Schritte. Dunkel ist es auch und ich muss langsamer gehen und

Weitere Kostenlose Bücher