Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie
stottert er. Die Verwirrung auf seinem Gesicht wird durch Wut ersetzt. »Du kannst nicht mit mir Schluss machen.«
Ich rücke unbewusst ein Stück zurück und verschränke die Arme. »Und warum nicht?«
Er sieht mich an, als wäre ich der dümmste Mensch auf der Welt. » Du «, sagt er und spuckt das Wort beinahe aus, »kannst nicht mit mir Schluss machen.«
Dann kapier ich es. Rob erinnert sich sehr wohl. Er erinnert sich, dass er in der Sechsten gesagt hat, ich wäre nicht cool genug für ihn â erinnert sich und glaubt es immer noch. In diesem Augenblick verschwindet auch das letzte bisschen Sympathie, das ich noch für ihn übrig hatte, und ich finde ihn erstaunlich hässlich, wie er jetzt so dasteht, knallrot, mit geballten Fäusten.
»Natürlich kann ich das«, sage ich ruhig. »Ich habe es gerade getan.«
»Und ich hab auf dich gewartet! Ich habe monatelang auf dich gewartet.« Er dreht sich um und murmelt etwas, das ich nicht verstehe.
»Was?«
Er sieht mich wieder an, das Gesicht verzerrt vor Abscheu und Wut. Das kann nicht derselbe Mensch sein, der sich noch vor einer Woche an meine Schulter gekuschelt und gesagt hat, ich wäre seine Decke. Es ist, als wäre sein Gesicht abgefallen und darunter ein völlig anderes Gesicht zum Vorschein gekommen.
»Ich sagte, ich hätte mit Gabby Haynes vögeln sollen, als sie mir das in den Ferien vorgeschlagen hat«, erwidert er kalt.
Etwas flackert in meinem Inneren auf, ein Rest Schmerz oder Stolz, aber es geht schnell vorbei und wird erneut durch ein Gefühl derRuhe ersetzt. Ich bin bereits weg hier, fliege bereits hinüber, und ich verstehe plötzlich genau, was Juliet fühlt oder einige Zeit lang gefühlt haben muss. Der Gedanke an sie gibt mir die Kraft zurück und ich bringe sogar ein Lächeln zu Stande.
»Es ist nie zu spät für eine zweite Chance«, sage ich freundlich und gehe dann zu meinem letzten Mittagessen mit meinen besten Freundinnen.
Zehn Minuten später, als ich endlich an unserem üblichen Tisch sitze â und ein riesiges Roastbeefsandwich mit Mayonnaise und einen Teller Pommes verdrücke, hungriger denn je â und Juliet durch die Schulmensa kommt, sehe ich, dass sie eine einzelne Rose in die leere Wasserflasche gesteckt hat, die seitlich an ihren Rucksack geschnallt ist. Sie sieht sich sogar um, ihr Gesicht teilt den Vorhang aus Haaren und sie lässt den Blick suchend über jeden einzelnen Tisch schweifen, an dem sie vorbeigeht, und forscht nach Hinweisen. Ihre Augen sind hell und wach. Sie kaut auf ihrer Lippe, aber sie sieht nicht unglücklich aus. Sie sieht lebendig aus. Mein Herz setzt einen Schlag aus: Darauf kommt es an.
Als sie sich an unserem Tisch vorbeischlängelt, sehe ich eine zusammengefaltete Nachricht direkt unter den Blütenblättern ihrer Rose flattern, und obwohl ich zu weit weg bin, um sie lesen zu können, kann ich genau erkennen, was dort steht, selbst wenn ich die Augen schlieÃe. Ein einzelner Satz.
Es ist nie zu spät.
»Also, was ist heute mit dir los?«, fragt Lindsay auf dem Weg zum Eiscafé. Wir haben bereits beinahe die Reihe erreicht, die kleine Zeile aus Läden, die auf der Hügelkuppe hocken wie Pilze. Die dunkle Wolkendecke wird zentimeterweise über den Horizont gezogen und verspricht Schnee. Der Gedanke, vielleicht nie wieder Schnee zu sehen, tut mir einen Augenblick in der Brust weh.
»Wieso?« Wir gehen untergehakt, um nicht zu frieren. Ich wollte eigentlich, dass Ally und Elody auch mitkommen, aber Elody hat einen Spanischtest und Ally sagte, dass sie nicht noch mal Englisch schwänzen könne, sonst würde sie wahrscheinlich durchfallen. Ich habe nicht weiter in sie gedrungen.
Ein Tag wie jeder andere.
»Na ja, warum verhältst du dich so komisch?«
Ich versuche eine Antwort zu formulieren und Lindsay fährt fort. »Zum Beispiel beim Mittagessen, als du mit den Gedanken sonst wo warst, und so.« Sie beiÃt sich auf die Lippe. »Ich hab da eine SMS von Amy Weiss gekriegt â¦Â«
»Ja?«
»Amy Weiss ist ganz offensichtlich verrückt und ich würde nie etwas von dem glauben, was sie sagt, erst recht nicht über dich«, schränkt Lindsay schnell ein.
»Klar«, sage ich belustigt, weil ich mir ziemlich sicher bin, worauf sie hinauswill.
»Aber â¦Â« Lindsay holt tief Luft und sagt dann
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