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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Himbeer-Bodyspray, das sie immer noch gewissenhaft beim Body Shop im Einkaufszentrum kauft, auch wenn das schon seit der siebten Klasse längst nicht mehr cool ist – ist so wirklich und intensiv und vertraut, dass ich überwältigt die Augen schließen muss.
    Keine gute Idee. Mit geschlossenen Augen sehe ich die schönen warmen Lichter von Kents Haus im Rückspiegel verschwinden und die glatten schwarzen Bäume, die sich auf beiden Seiten neben uns zusammendrängen wie Skelette. Ich rieche Verbranntes. Ich höre Lindsay schreien und spüre, wie mir der Magen wegsackt, als das Auto mit quietschenden Reifen zur Seite schlingert …
    Â»Scheiße.«
    Ich reiße die Augen auf, als Lindsay das Lenkrad herumreißt, umeinem Eichhörnchen auszuweichen. Sie schnipst ihre Zigarette aus dem Fenster und der Geruch nach Rauch ist eigenartig verdoppelt: Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn rieche oder mich daran erinnere oder beides.
    Â»Du fährst echt dermaßen miserabel.« Elody kichert.
    Â»Sei bitte vorsichtig«, murmele ich. Ich kralle mich ungewollt an meinem Sitz fest.
    Â»Keine Sorge.« Lindsay beugt sich herüber und tätschelt mein Knie. »Ich werde nicht zulassen, dass meine beste Freundin als Jungfrau stirbt.«
    In diesem Moment würde ich Lindsay und Elody am liebsten alles erzählen und sie fragen, was mit mir – mit uns – los ist, aber ich weiß nicht, wie ich es anfangen soll.
    Wir hatten einen Autounfall nach einer Party, die noch nicht stattgefunden hat.
    Ich dachte, ich sei gestern gestorben. Ich dachte, ich sei heute Nacht gestorben.
    Elody glaubt offenbar, dass ich so still bin, weil ich mir Sorgen wegen Rob mache. Sie schlingt den Arm um die Lehne meines Sitzes und beugt sich vor.
    Â»Keine Sorge, Sam. Es wird alles gut gehen. Es ist wie Fahrradfahren«, sagt Elody.
    Ich versuche ein Lächeln zu Stande zu bringen, aber ich kann kaum klar sehen. Es kommt mir sehr lange her vor, dass ich ins Bett gegangen bin und mir vorgestellt habe, neben Rob zu liegen, mir vorgestellt habe, wie sich seine kühlen, trockenen Hände anfühlen. Der Gedanke an ihn schmerzt und mir schnürt sich die Kehle zu. Ich kann es plötzlich kaum erwarten, ihn zu sehen, kann es kaum erwarten, sein schiefes Lächeln zu sehen und sein Yankees-Basecap und sogar seineschmutzige Fleecejacke, die immer ein bisschen nach Jungenschweiß riecht, selbst nachdem seine Mutter ihn gezwungen hat, sie zu waschen.
    Â»Es ist wie Reiten«, verbessert Lindsay Elody. »In null Komma nichts bist du Weltmeisterin, Sammy.«
    Â»Ich vergesse immer, dass du früher geritten bist.« Elody nimmt den Deckel ihres Kaffeebechers ab und pustet den Dampf weg.
    Â»Als ich ungefähr sieben war«, sage ich, bevor Lindsay einen Witz darüber machen kann. Wenn sie sich jetzt über mich lustig macht, fang ich, glaub ich, echt an zu heulen. Ich könnte ihr nie die Wahrheit sagen: dass Reiten meine Lieblingsbeschäftigung war. Ich habe es geliebt, alleine im Wald zu sein, vor allem im Spätherbst, wenn alles kühl und golden ist, die Blätter die gleiche Farbe haben wie Feuer und es nach Dingen riecht, die zu Erde werden. Ich habe die Stille geliebt, wenn das einzige Geräusch das gleichmäßige Hufgetrappel und der Pferdeatem war.
    Keine Handys. Kein Gelächter. Keine Stimmen. Keine Häuser.
    Keine Autos.
    Ich habe die Sonnenblende heruntergeklappt und im Spiegel sehe ich, wie Elody mich anlächelt. Vielleicht sage ich ihr, was mit mir los ist , denke ich, aber im selben Moment weiß ich, dass ich das nicht tun werde. Sie würde mich für verrückt halten. Das würden sie alle.
    Ich schweige und sehe aus dem Fenster. Das Licht sieht blass und fahl aus, als hätte sich die Sonne gerade selbst über den Horizont gekippt und wäre zu faul, sich aufzuwischen. Die Schatten sind so scharf und spitz wie Nadeln. Ich sehe, wie drei schwarze Krähen gleichzeitig von einem Telefonkabel auffliegen, und wünschte, ich könnte ebenfalls auffliegen, höher und immer höher, und wie von einemFlugzeug aus zusehen, wie der Boden unter mir zurückbleibt und sich wie eine Origami-Figur immer weiter zusammenfaltet und zusammenzieht, bis irgendwann alles ganz flach und bunt ist – bis die ganze Welt nur noch ein Bild ihrer selbst ist.
    Â»Ein passendes Lied, bitte«, sagt Lindsay und ich scrolle durch den iPod, bis

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