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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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an sich zieht – als wollte er nicht, dass jemand mit mir zusammenstößt oder etwas über mir verschüttet oder so –, spüre ich eine Hitze im Magen, als hätte ich gerade ein Glas Wein getrunken, und ich bin absolut glücklich, nur in diesem Augenblick. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Liebe ist.
    Deshalb sage ich zu Lindsay: »Natürlich glaube ich das.«
    Lindsay kichert wieder und knufft mich. »Und? Ist er über seinen Schatten gesprungen und hat es einfach gesagt?«
    Â»Was gesagt?«
    Sie verdreht die Augen. »Dass er dich liebt .«
    Ich zögere nur eine Sekunde zu lang und denke an seine Nachricht: Hab Dich lieb. Die Art von Spruch, den man jemandem ins Jahrbuch schreibt, wenn einem sonst nichts einfällt.
    Lindsay plappert weiter. »Das wird er noch. Die Typen sind echt behindert. Ich wette, er sagt es heute Abend. Gleich nachdem ihr …« Sie bricht ab und beginnt ruckartig ihre Hüfte auf und ab zu bewegen.
    Ich haue sie mit einem Kissen. »Du bist schlimmer als eine läufige Hündin, weißt du das?«
    Sie knurrt mich an und fletscht die Zähne. Wir lachen, dann liegen wir eine Minute lang schweigend da und hören auf Elodys und Allys Geheul aus dem Nebenzimmer. Sie sind jetzt bei »Total eclipse of the heart«. Es fühlt sich gut an, da zu liegen, gut und normal. Ich denke an all die Male, die wir hier gelegen und gewartet haben, dass Elody und Ally sich fertig machten, darauf gewartet haben, auszugehen, darauf gewartet haben, dass etwas passiert – die Zeit tickt und verstreicht dann, für immer verloren –, und ich wünsche mir plötzlich, ich könnte mich an jedes einzelne Mal erinnern, als würde ich die Zeit irgendwie zurückbekommen, wenn ich mich nur daran erinnerte.
    Â»Warst du nervös? Beim ersten Mal, meine ich.« Es ist mir ein bisschen peinlich, das zu fragen, deshalb sage ich es ganz leise.
    Ich glaube, die Frage erwischt Lindsay unvorbereitet. Sie wird rot und zupft an der Borte von Allys Tagesdecke, und einen Moment lang herrscht ein unbehagliches Schweigen. Ich bin mir ziemlich sicher, woran sie denkt, obwohl ich es nie laut aussprechen würde. Lindsay, Ally, Elody und ich sind uns so nah wie nur möglich, aber trotzdem gibt es Dinge, über die wir nie reden. Zum Beispiel: Auch wenn Lindsay sagt, dass Patrick ihr Erster und Einziger ist, ist das streng genommen nicht ganz richtig. Streng genommen war ihr Erster ein Typ, den sie auf einer Party kennengelernt hat, als sie ihren Stiefbruder an der New York University besuchte. Sie rauchten Gras, teilten sich ein Sixpack und schliefen miteinander und er hat nie erfahren, dass es für sie das erste Mal war.
    Darüber reden wir nicht. Wir reden auch nicht darüber, dass wir nie nach fünf zu Elody können, weil ihre Mutter dann zu Hause und betrunken ist. Wir reden nicht darüber, dass Ally nie mehr als ein Viertel von dem isst, was auf ihrem Teller liegt, obwohl sie eine begeisterte Köchin ist und stundenlang Kochsendungen guckt.
    Wir reden nicht über den Spruch, der mich jahrelang auf den Gängen, in den Klassenzimmern und im Bus verfolgte und sich sogar in meine Träume geschlichen hat: Was ist überall rot und weiß und seltsam? Sam Kingston! Und wir reden ganz bestimmt nicht darüber, dass Lindsay diejenige ist, die ihn sich ausgedacht hat.
    Eine gute Freundin bewahrt deine Geheimnisse für dich. Eine beste Freundin hilft dir dabei, deine eigenen Geheimnisse sogar vor dir selbst zu bewahren.
    Lindsay rollt sich auf die Seite und stützt sich auf einen Ellbogen. Ich frage mich, ob sie wohl endlich den Typen von der New York University erwähnen wird. (Ich weiß noch nicht mal, wie er heißt, und die wenigen Male, die sie von ihm gesprochen hat, nannte sie ihn den Unaussprechlichen.)
    Â»Ich war nicht nervös«, sagt sie leise. Dann holt sie tief Luft und ihr Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen. »Ich war geil, Baby. Spitz .« Sie sagt das mit gespieltem britischem Akzent und dann springt sie auf mich drauf und fängt an, sich wie beim Vögeln zu bewegen.
    Â»Du bist unmöglich«, sage ich und schubse sie runter von mir. Sie rollt kichernd vom Bett.
    Â»Du liebst mich.« Lindsay kniet sich hin und pustet sich den Pony aus dem Gesicht. Sie beugt sich vor und stützt die Ellbogen aufs Bett. Plötzlich wird sie ernst.
    Â»Sam?« Sie macht die Augen weit

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