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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Kopf. »Ich warte seit Monaten darauf, Sam.«
    Jetzt kommen die Tränen. Mein Kopf schmerzt von der Anstrengung, sie zurückzuhalten. »Damit hat es nichts zu tun. Ich schwöre, ich …«
    Â»Womit hat es denn dann zu tun?« Er verschränkt die Arme.
    Â»Ich brauche dich jetzt einfach.« Ich bekomme die Wörter kaum heraus. Es überrascht mich, dass er mich überhaupt gehört hat.
    Er seufzt und reibt sich über die Stirn. »Okay, okay. Tut mir leid.« Er legt mir eine Hand auf den Kopf.
    Ich nicke. Die Tränen beginnen zu fließen und er wischt zwei mit seinem Daumen weg.
    Â»Lass uns reden, ja? Wir gehen irgendwohin, wo es ruhiger ist.« Er schüttelt seinen leeren Bierbecher. »Kann ich mir vorher noch Nachschub holen?«
    Â»Ja, klar«, sage ich, obwohl ich ihn am liebsten gebeten hätte, bei mir zu bleiben, seine Arme um mich zu schlingen und mich nie wieder loszulassen.
    Â»Du bist die Beste«, sagt er und beugt sich herunter, um mich auf die Wange zu küssen. »Und nicht weinen – wir sind doch auf einer Party, schon vergessen? Da soll man eigentlich Spaß haben.« Er geht rückwärts weg und hält seine Hand mit ausgestreckten Fingern hoch. »Fünf Minuten.«
    Ich drücke mich an die Wand und warte. Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll. Leute gehen an mir vorbei und ich halte den Kopf gesenkt, damit mir die Haare ins Gesicht fallen und niemand sieht, dass ich immer noch weine. Es ist laut auf der Party, aber alles hört sich an wie von weit her. Die Wörter sind verzerrt und die Musik klingt so wie auf der Kirmes, als wären alle Töne aus dem Gleichgewicht und kollidierten miteinander.
    Fünf Minuten vergehen, dann sieben. Zehn Minuten vergehen und ich sage mir, ich warte noch fünf Minuten, dann suche ich nach ihm, obwohl mir der Gedanke daran, mich zu bewegen, unmöglich erscheint. Nach zwölf Minuten simse ich: wo bist du? , aber dann fällt mir ein, dass er mir gestern erzählt hat, er habe sein Handy irgendwo abgelegt.
    Gestern. Heute.
    Und als ich mir diesmal vorstelle, irgendwo zu liegen, schlafe ich nicht. Diesmal stelle ich mir vor, wie ich ausgestreckt auf einer kalten Steinplatte liege, meine Haut so weiß wie Milch, die Lippen blau und die Hände über der Brust gefaltet, als hätte sie jemand dort so hingelegt …
    Ich hole tief Luft und zwinge mich, mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Ich zähle die Lämpchen an der Lichterkette, die das E.T. -Filmplakat über einem Sofa rahmt, und dann zähle ich die hellrot glimmenden Zigarettenkippen, die sich wie Glühwürmchen durch das Halbdunkel schlängeln. Ich bin kein Mathefreak oder so, aber Zahlen mochte ich schon immer gerne. Ich mag es, wie man sie jederzeit einfach aufstapeln kann, eine auf die andere, bis sie jeden Raum ausfüllen. Das habe ich einmal meinen Freundinnen erzählt und Lindsay sagte, ich würde bestimmt mal eine dieser alten Frauen, die Telefonbücher auswendig lernen und bei sich zu Hause zusammengefaltete Cornflakesschachteln und Zeitungen bis zur Decke stapeln, um in Barcodes nach Nachrichten aus dem All zu suchen.
    Aber ein paar Monate später übernachtete ich bei ihr und da gestand sie mir, dass sie manchmal, wenn sie wegen irgendwas gestresst ist, dieses katholische Nachtgebet aufsagt, das sie als kleines Kind auswendig gelernt hat, obwohl sie Halbjüdin ist und sowieso nicht an Gott glaubt.
    Leg ich mich nun zur guten Nacht,
    bitt ich dich, Herr, oh, halte Wacht.
    Klopft nachts der Tod an meine Tür,
    bitt ich dich, Herr, nimm mich zu dir.
    Sie hatte es bei ihrer Klavierlehrerin zu Hause auf ein Kissen gestickt gesehen und wir hatten uns darüber amüsiert, wie spießig bestickte Kissen waren. Aber bis ich in dieser Nacht eingeschlafen war, ging mir das Gebet nicht aus dem Kopf. Die eine Zeile lief immer wieder in meinem Kopf ab: Klopft nachts der Tod an meine Tür.
    Ich will mich gerade dazu zwingen, mich von der Wand zu lösen, als ich Robs Namen höre. Zwei Zehntklässlerinnen sind kichernd in den Raum gestolpert und ich strenge mich an zu verstehen, was sie sagen.
    Â»â€¦Â zum zweiten Mal in zwei Stunden.«
    Â»Nein, beim ersten Mal war es Matt Kessler.«
    Â»Beide.«
    Â»Hast du gesehen, wie Aaron Stern ihn über das Fass gehalten hat. Kopfüber.«
    Â»Na ja, darum geht es schließlich beim Fass-Handstand.«
    Â»Rob

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