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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Aber jetzt wirbele ich herum, neugieriger auf sie denn je. Ich sehe, wie sie durch die Schulmensa schwebt. Ihre Haare hängen herunter und verbergen ihr Gesicht: flaumige, weiche Haare, so weiß, dass sie mich an Schnee erinnern. So sieht sie wirklich aus – wie eine Schneeflocke, die vom Wind umhergewirbelt wird und sich im Luftstrom dreht und wendet. Sie guckt noch nicht mal in unsere Richtung und ich frage mich, ob sie das jetzt überhaupt schon plant, plant, uns heute Abend zu folgen und uns vor allen anderen bloßzustellen. Sie sieht nicht so aus, als wäre sie dazu in der Lage.
    Ich konzentriere mich so darauf, sie anzusehen, dass es einen Augenblick dauert, bis mir klar wird, dass Ally und Elody gerade eine Runde Psycho killer, qu’est-ce-que c’est beendet haben und jetzt hysterisch lachen. Lindsay hält ihre verschränkten Finger hoch, als wollte sie einen Fluch abwehren, und wiederholt andauernd: »Oh, Herr, halte die Dunkelheit fern.«
    Â»Warum hasst du Juliet eigentlich so?«, frage ich Lindsay. Es kommt mir komisch vor, dass ich bis vor kurzem nie auf die Idee gekommen bin, sie das zu fragen. Ich habe es einfach immer so hingenommen.
    Elody schnaubt und verschluckt sich beinahe an ihrer Cola light. »Meinst du das ernst?«
    Lindsay ist ganz offensichtlich nicht auf die Frage vorbereitet. Sie macht den Mund auf, schließt ihn wieder, wirft dann ihre Haare zurück und verdreht die Augen, als könnte sie nicht glauben, dass ich das überhaupt frage. »Ich hasse sie nicht.«
    Â»Doch, tust du.« Es war Lindsay, die herausgefunden hatte, dass Juliet in der Neunten keine einzige Rose bekommen hatte, und Lindsays Idee, ihr ein Valogramm zu schicken. Es war Lindsay, die ihr den Spitznamen Psycho gegeben und vor all den Jahren rumerzählt hatte, dass Juliet beim Pfadfinderinnen-Campingausflug in den Schlafsack gepinkelt hatte.
    Lindsay starrt mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Tut mir leid«, sagt sie und zuckt die Achseln, »keine Sonderrechte für Patienten der Psychiatrie.«
    Â»Jetzt erzähl mir bloß nicht, dass sie dir leidtut oder so was«, sagt Elody. »Du weißt, dass sie weggesperrt gehört.«
    Â»In die Klapse.« Ally kichert.
    Â»Ich war einfach nur neugierig«, sage ich und verkrampfe mich, als Ally das Wort mit K ausspricht. Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass ich vollkommen klinisch verrückt geworden bin. Aber irgendwie glaube ich das nicht mehr. In einem Artikel, den ich mal gelesen habe, stand, dass Verrückte sich keine Gedanken darüber machen, dass sie verrückt sind – das ist genau das Problem.
    Â»Heißt das, wir bleiben heute wirklich zu Hause?«, fragt Ally schmollend. »Den ganzen Abend?«
    Ich hole tief Luft und sehe Lindsay an. Ally und Elody sehen sie auch an. Sie hat das letzte Wort bei allen unseren größeren Entscheidungen. Wenn sie wild entschlossen ist, zu Kent zu gehen, wird es schwierig sein, mich zu drücken. Lindsay lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und guckt mich an. Ich sehe etwas in ihren Augen aufblitzen und mein Herz bleibt stehen, weil ich denke, jetzt sagt sie mir, ich soll mich nicht so anstellen und dass eine Party mir guttun wird.
    Aber stattdessen lächelt sie und zwinkert mir zu. »Es ist bloß eine Party«, sagt sie. »Wahrscheinlich wird sie eh total öde.«
    Â»Wir könnten uns einen Horrorfilm ausleihen«, meldet sich Elody zu Wort. »Wisst ihr, wie früher.«
    Â»Das kommt auf Sam an«, sagt Lindsay. »Wie sie will.«
    In diesem Augenblick könnte ich sie küssen.
    Ich schwänze wieder Englisch mit Lindsay. Wir gehen an Alex und Katie in Hunan Kitchen vorbei, aber heute bleibt Lindsay nicht mal stehen, wahrscheinlich weil sie sich bemüht, extra nett zu mir zu sein, und weiß, dass ich Konfrontationen hasse.
    Ich zögere allerdings. Ich muss an Brianna denken, die ihre Arme um Alex legt und ihn anblickt, als wäre er der einzige Typ auf der Welt. Sie nervt, okay, aber sie hat etwas Besseres verdient als ihn. Es ist ein Jammer.
    Â»Hallo? Mal wieder beim Stalken?«, fragt Lindsay.
    Mir wird bewusst, dass ich einfach dastehe und an den eingerissenen Zetteln vorbeistarre, die Mittagessen zum Sonderpreis von fünf Dollar anbieten und örtliche Theatergruppen und Friseursalons bewerben. Alex Liment hat mich durchs Fenster entdeckt. Er starrt direkt

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