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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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berühren.  
    Juliet Sykes.
    Im Jahrbuch der zweiten Klasse kniet Lindsay in der ersten Reihe der Klasse. Juliet Sykes ist wieder neben ihr.
    Im Jahrbuch der dritten Klasse trennen Juliet und Lindsay mehrere Seiten. Lindsay war in Ms Derners Klasse (mit mir – in diesem Jahr hat sie sich den Spruch ausgedacht: »Was ist überall rot und weiß und seltsam?«). Juliet war in Dr. Kuzmas Klasse. Verschiedene Seiten, verschiedene Klassen, verschiedene Posen – Lindsay hat die Hände vor dem Körper verschränkt; Juliet steht mit leicht schräg gebeugtem Körper da – und trotzdem sehen sie genau gleich aus, tragen identische hellblaue Petit-Bateau-T-Shirts und dazu passende weiße Caprihosen, die bis knapp unters Knie reichen; ihre blonden, glänzenden Haare haben sie sorgfältig in der Mitte gescheitelt, um ihren Hals glitzert ein schmales Silberkettchen. In jenem Jahr war es cool, sich genau gleich anzuziehen wie seine Freundinnen – seine besten Freundinnen.
    Als Nächstes nehme ich das Jahrbuch aus der vierten Klasse. Meine Finger fühlen sich schwer und taub an, Kälte durchströmt mich. Auf dem Umschlag ist ein großes farbenprächtiges Bild der Schule, ganz in Neonpink und Rottönen, wahrscheinlich von einem Kunstlehrer gemalt. Ich brauche eine Weile, bis ich Lindsays Klasse gefunden habe, aber sobald ich sie habe, beginnt mein Herz zu rasen. Da ist sie mit demselben breiten Lächeln, als warnte sie die Kamera, sie ja nicht weniger als perfekt aussehend einzufangen. Und neben ihr steht Juliet Sykes. Die hübsche, glückliche Juliet Sykes, die lächelt, als hätte sie einGeheimnis. Ich blinzele und konzentriere mich auf einen winzigen verschwommenen Fleck zwischen ihnen und ich glaube auszumachen, dass ihre Zeigefinger locker verschränkt sind.
    Fünfte Klasse. Ich finde Lindsay problemlos. Sie steht vorne in der Mitte in Mrs Krakows Klassenzimmer und lächelt so breit, dass es aussieht, als fletschte sie die Zähne. Es dauert länger, bis ich Juliet gefunden habe. Auf der Suche nach ihr gucke ich alle Fotos durch und muss dann wieder von vorne anfangen, bevor ich sie entdecke, ganz oben rechts in der Ecke, eingequetscht zwischen Lauren Lornet und Daniel Cho. Sie weicht nach hinten zurück, als wollte sie ganz aus dem Rahmen verschwinden. Ihre Haare hängen ihr wie ein Vorhang ins Gesicht. Lauren und Daniel neben ihr haben sich leicht weggedreht, als wollten sie nichts mit ihr zu tun haben, als hätte sie eine ansteckende Krankheit.
    Fünfte Klasse: das Jahr des Pfadfinderinnen-Ausflugs, als sie in ihren Schlafsack gepinkelt hat und Lindsay ihr den Spitznamen Piss-Miss verlieh.
    Ich stelle die Jahrbücher vorsichtig zurück und achte darauf, die richtige Reihenfolge einzuhalten. Mein Herz klopft wild, ein unkontrolliertes Hämmern. Ich will plötzlich so schnell wie möglich raus aus dem Keller. Ich knipse das Licht aus und taste mich blind die Treppe hinauf. In der Dunkelheit scheinen Formen und Schatten herumzuwirbeln und Angst kriecht mir die Kehle hoch. Ich bin mir sicher, wenn ich mich umdrehe, sehe ich sie, wie sie ganz in Weiß mit ausgestreckten Händen auf mich zustolpert, mit blutigem und zerfetztem Gesicht.
    Und dann bin ich oben und da ist sie: eine Vision, ein Albtraum. Ihr Gesicht liegt vollkommen im Schatten – ein Loch –, aber ich kann erkennen, dass sie mich anstarrt. Das Zimmer neigt sich zur Seite; ich halte mich an der Wand fest, um nicht umzukippen.
    Â»Was ist los mit dir?« Lindsay macht einen Schritt vor auf den Flurund wird jetzt vom Mondlicht erfasst, so dass ihre Gesichtszüge sichtbar werden. »Warum guckst du mich so an?«
    Â»Mein Gott.« Ich lege die Hand auf meine Brust und versuche, mein Herz in seinen normalen Rhythmus zurückzudrücken. »Du hast mir vielleicht einen Schreck eingejagt.«
    Â»Was hast du da unten gemacht?« Ihre Haare sind zerwühlt und mit ihren weißen Boxershorts und dem weißen Tanktop könnte sie ein Gespenst sein.
    Â»Du warst mit ihr befreundet«, sage ich. Es kommt heraus wie eine Anklage. »Du warst jahrelang mit ihr befreundet.«
    Ich bin nicht sicher, was für eine Antwort ich erwarte, aber sie sieht weg und guckt mich dann wieder an.
    Â»Es ist nicht unsere Schuld«, sagt sie, als wollte sie mich herausfordern, ihr zu widersprechen. »Sie ist total durchgeknallt. Das weißt

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