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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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abwechselnd Elody und mich an. »Was ist das denn? Eine Art Wettbewerb, wer am wenigsten anhat?«
    Â»Wer hat, der hat.« Elody mustert meinen Rock, als sie sich vorbeugt, um nach ihrem Kaffee zu greifen. »Na, hast du deine Hose vergessen, Sam?«
    Lindsay kichert. Ich sage: »Na, eifersüchtig?«, ohne mich vom Fenster abzuwenden.
    Â»Was ist los mit ihr?« Elody lehnt sich zurück.
    Â»Da hat heute Morgen wohl jemand vergessen, seine Gute-Laune-Pillen zu schlucken.«
    Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Lindsay Elody einen Blick zuwirft und eine Grimasse schneidet, die wohl heißen soll: Lass sie. Als wäre ich ein Kind, das man vorsichtig behandeln muss. Ich muss an diese Fotos denken, wo sie an Juliet Sykes gedrückt dasteht, und dann denke ich an Juliets Kopf, der in Stücke gerissen und an irgendeine Kellerwand gespritzt ist. Die Wut ist wieder da und ich kann mich gerade noch zurückhalten, mich zu ihr umzudrehen und zu schreien, dass sie eine Heuchlerin ist, eine Lügnerin, dass ich sie durchschaue.
    Ich durchschaue dich … Mein Herz macht einen Satz, als mir Kents Worte einfallen.
    Â»Ich weiß was, das dich aufheitern wird.« Elody beginnt mit selbstzufriedener Miene in ihrer Tasche zu kramen.
    Â»Ich schwöre bei Gott, Elody, wenn du jetzt vorhast, mir ein Kondom zu geben …« Ich presse meine Finger an die Schläfen.
    Elody erstarrt und runzelt die Stirn, ein Kondom zwischen zwei Fingern. »Aber … das ist ein Geschenk für dich.« Sie sieht Lindsay Hilfe suchend an.
    Lindsay zuckt mit den Schultern. »Ist ja deine Sache«, sagt sie. Sie sieht mich nicht an, aber ich kann erkennen, dass meine Art sie langsam ziemlich nervt, und ehrlich gesagt freue ich mich darüber. »Wenn du eine wandelnde Geschlechtskrankheitenkultur sein willst.«
    Â»Damit kennst du dich ja aus.« Ich hatte gar nicht vor, das zu sagen, es rutscht mir einfach so raus.
    Lindsay wirbelt zu mir herum. »Was hast du gesagt?«
    Â»Nichts.«
    Â»Hast du gesagt …«
    Â»Ich hab gar nichts gesagt.« Ich lehne meinen Kopf zurück an das Fenster.
    Elody sitzt immer noch mit dem Kondom zwischen den Fingern da. »Komm schon, Sam. Du weißt doch, popp nie ohne Präser.«
    Meine Jungfräulichkeit zu verlieren kommt mir jetzt absurd vor, der Höhepunkt eines anderen Films, einer anderen Figur, eines anderen Lebens. Ich versuche zurückzudenken und mich zu erinnern, was ich an Rob liebe – was ich an ihm geliebt habe –, aber alles, was mir einfällt, ist eine willkürliche Sammlung von Bildern in unbestimmter Reihenfolge: Rob, der halb bewusstlos auf Kents Sofa liegt, mich am Arm packt und mir vorwirft, fremdzugehen; Rob, der bei ihm im Keller den Kopf auf meine Schulter legt und flüstert, dass er neben mir einschlafen will; Rob, der mich in der sechsten Klasse abweist; Rob, der seine Hand hebt und sagt: Fünf Minuten ; Rob, der zum ersten Mal meine Hand nimmt, als wir über den Gang gehen, was mich mit einem Gefühl von Stolz und Stärke erfüllt. Es kommt mir vor wie die Erinnerungen einer anderen.
    In diesem Augenblick wird es mir so richtig bewusst: Nichts davon spielt mehr eine Rolle. Überhaupt nichts spielt mehr eine Rolle.
    Ich drehe mich in meinem Sitz um und strecke die Hand aus, um Elody das Kondom abzunehmen.
    Â»Popp nie ohne Präser«, sage ich und lächele sie gezwungen an.
    Elody jubelt. »Das ist mein Mädchen.«
    Ich drehe mich wieder um, als Lindsay an einer roten Ampel aufdie Bremse steigt. Ich werde nach vorn geschleudert und muss eine Hand ausstrecken, um nicht ans Armaturenbrett zu stoßen, und als das Auto dann zum Stehen kommt, knalle ich nach hinten gegen die Kopfstütze. Der Kaffee im Becherhalter schwappt über den Rand und spritzt auf meinen Oberschenkel.
    Â»Ups.« Lindsay kichert. »Tut mir echt leid.«
    Â»Du bist wirklich gemeingefährlich.« Elody lacht und greift nach dem Sicherheitsgurt, um sich anzuschnallen.
    Die Wut, die ich schon den ganzen Morgen über spüre, strömt aus mir heraus. »Was zum Teufel ist los mit dir?«
    Lindsays Lächeln erstarrt auf ihrem Gesicht. »Wie bitte?«
    Â»Ich habe gesagt, was zum Teufel ist los mit dir?« Ich hole ein paar Servietten aus dem Handschuhfach und fange an, mein Bein abzuwischen. Der Kaffee ist gar nicht mal so heiß – Lindsay hatte den Deckel abgenommen,

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