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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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an einem seiner Ärmel herum. »Setz dich, Sam. Wir fangen jetzt an.«
    Â»Ich dachte, Sie genießen die Aussicht.« Ich lehne mich ein bisschen zurück und strecke die Arme über den Kopf. Etwas wie Elektrizität liegt in der Luft, eine schwirrende, klingende Spannung, die in alle Richtungen reicht; es fühlt sich an wie der Moment kurz vor einem Gewitter, als wäre jedes einzelne vibrierende Luftteilchen extra stark aufgeladen. Ein Schüler im hinteren Teil des Klassenzimmers lacht und ein anderer murmelt: »Meine Güte.« Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich meine Kents Stimme zu erkennen.
    Mr Daimler sieht mich mit finsterem Gesicht an. »Setz dich.«
    Â»Wenn Sie darauf bestehen.« Ich rutsche von der Kante des Pults und gehe herum zu seinem Stuhl, dann setze ich mich, schlage langsam die Beine übereinander und falte die Hände im Schoß. Leichtes Gekicher und Gekeuche bricht im Klassenzimmer los, kleine Geräuschsalven. Ich weiß nicht, woher es kommt, dieses Gefühl vollkommener und totaler Kontrolle. Bis vor ein paar Monaten bekam ich immer noch ganz weiche Knie, wenn mich ein Typ ansprach, Rob eingeschlossen. Aber das hier fühlt sich leicht und natürlich an, als wäre ich zum ersten Mal in meinem Leben in die Haut geschlüpft, die mir wirklich gehört.
    Â»Auf deinen Platz.« Mr Daimler knurrt beinahe und sein Gesicht ist dunkelrot, beinahe lila. Ich habe ihn aus der Fassung gebracht – vermutlich eine Premiere in der Geschichte der Schule. Ich weiß, dass ich gerade einen Punkt gewonnen habe in diesem Spiel, das wir da spielen – was immer das sein mag. Von dem Gedanken kriege ich ein leicht flaues Gefühl im Magen – es fühlt sich nicht schlecht an, eher wie derMoment, kurz bevor man die höchste Stelle der Achterbahn erreicht, wenn man weiß, dass man jede Sekunde am höchsten Punkt des Freizeitparks ist und über alles hinweggucken kann, dort einen Sekundenbruchteil anhalten wird, bevor die Fahrt deines Lebens losgeht. Es ist das flaue Gefühl im Magen, kurz bevor alles in einem Windstoß und Geschrei auseinanderfliegt, kurz bevor du dich ganz gehenlässt. Das Gelächter im Klassenzimmer schwillt zu einem Tosen an. Von draußen könnte man es mit Applaus verwechseln.
    Den Rest der Stunde über verhalte ich mich ruhig, obwohl die anderen weiterflüstern und dann und wann in Gekicher ausbrechen und ich mehrere Briefchen zugeschickt bekomme. Eins ist von Becca und darin steht: Du bist echt toll , eins ist von Hana Gordon und darin steht: Er ist ja dermaßen scharf . Ein drittes landet zusammengeknüllt in meinem Schoß, bevor ich sehen kann, wer es mir zugeworfen hat. Darin steht: Nutte . Einen Moment spüre ich, wie mich eine Welle der Verlegenheit durchströmt wie Übelkeit oder Schwindel. Aber es geht schnell vorbei. Nichts von alldem existiert wirklich. Noch nicht mal ich selbst existiere wirklich.
    Ein viertes Briefchen kommt kurz vor dem Ende der Stunde. Es ist zu einem Miniflugzeug gefaltet und segelt im wahrsten Sinne des Wortes zu mir und landet mit einem leisen Rascheln auf meinem Tisch, gerade als Mr Daimler eine Gleichung an die Tafel schreibt und uns den Rücken zukehrt. Es ist so schön, dass es mir leidtut, es anzufassen, aber ich falte seine Flügel auseinander und dort steht eine Nachricht in ordentlicher Blockschrift.
    Du bist zu schade für so was.
    Obwohl sie nicht unterschrieben ist, weiß ich, dass die Nachricht von Kent kommt, und einen Augenblick lang durchfährt mich etwas Scharfes und Tiefes, etwas, das ich nicht verstehen oder beschreibenkann, eine Klinge, die unter meinen Rippen entlangschneidet und mich fast nach Luft schnappen lässt. Ich sollte nicht tot sein. Es hätte nicht mich treffen sollen.
    Ich hebe das Briefchen ganz vorsichtig auf und reiße es in der Mitte durch, dann reiße ich es noch einmal in der Mitte durch.
    Wir waren die ganze Stunde über unruhig und Mr Daimler gibt zwei Minuten vor dem Läuten auf.
    Â»Nicht vergessen: Am Montag schreiben wir einen Test. Grenzwerte und Asymptoten.« Er geht zu seinem Pult und lehnt sich mit müdem Gesichtsausdruck dagegen. Ein allgemeines Ausatmen ist zu hören, ein kollektiver Seufzer aus raschelnden Jacken und Stühlen, die über das Linoleum schrappen. »Samantha Kingston, du bleibst bitte noch hier.«
    Er sieht mich noch nicht mal an, aber der

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