Wenn ein Reisender in einer Winternacht
tun, sobald ich ein Zeichen Ihres Interesses empfangen habe, bitte per Telex auf folgendes Konto. ..«
Die Gründe, die Marana zum Besuch des alten Romanciers veranlaßt haben, sind aus seinen Briefschaften nicht ganz klar zu ersehen: Teils scheint es, als habe er sich als Repräsentant der New Yorker OEPHLW (»Organization for the Electronic Production of Homogenized Literary Works«) vorgestellt und technische Hilfe zur Vollendung des brachliegenden Romans angeboten (»Flannery erbleichte, drückte zitternd das Manuskript an seine Brust und stammelte: Nein, das nicht! Das werde ich niemals dulden!«); teils scheint es auch, als sei er dort aufgekreuzt, um die Interessen eines von Flannery schamlos plagiierten belgischen Autors namens Bertrand Vandervelde zu wahren. Doch einem früheren Brief zufolge, in dem Marana sich an Cavedagna wendet mit der Bitte um Herstellung eines Kontaktes zu dem unerreichbaren Romancier, scheint es darum gegangen zu sein, diesem als Hintergrund für die Schlüsselszenen seines nächsten Romans In einem Netz von Linien, die sich verknoten eine Insel im Indischen Ozean vorzuschlagen, »deren ockerfarbene Strande herrlich mit dem kobaltblauen Meer kontrastieren«. Der Vorschlag kam von einer Mailänder Immobilien-Investment-Firma anläßlich einer geplanten Erschließung der Insel durch Bungalow-Siedlungen zwecks anschließendem Verkauf derselben en gros oder en detail, auch auf Raten und per Korrespondenz.
Maranas Aufgaben in dieser Firma betrafen anscheinend die »Public Relations für die Entwicklung der Entwicklungsländer unter besonderer Berücksichtigung der revolutionären Bewegungen vor und nach der Machtergreifung im Hinblick auf die Beschaffung von Baulizenzen und ihre Sicherung über alle Regimewechsel hinweg«. Seinen ersten Auftrag in dieser Funktion erfüllte er in einem Sultanat am Persischen Golf, wo er die Vertragsbedingungen für den Bau eines Wolkenkratzers aushandeln sollte. Ein glücklicher Zufall, der mit seiner Arbeit als Übersetzer zusammenhing, hatte ihm Tore geöffnet, die normalerweise jedem Europäer verschlossen bleiben. .. »Die letzte Frau des Sultans ist eine Landsmännin von uns, eine sensible Dame von leicht erregbarem Temperament; sie leidet unter der Isolation, die ihr durch die geografische Dislokation, die lokalen Sitten und die höfische Etikette auf gezwungen wird, und hält sich nur aufrecht durch ihre unersättliche Gier nach Lektüre. «
Gezwungen, die Lektüre des Romans Schaut in die Tiefe, wo sich das Dunkel verdichtet wegen eines Herstellungsfehlers in ihrem Exemplar abzubrechen, hatte die junge Sultanin einen Beschwerdebrief an den Übersetzer geschrieben. Marana war sofort nach Arabien geeilt. ». eine Alte, triefäugig und verschleiert, bedeutete mir zu folgen. In einem überdachten Garten, zwischen Bergamottbäumen, Leierschwänzen und Springbrunnen, trat mir die Herrin entgegen, gewandet in Indigo, auf dem Gesicht eine Maske aus grüner Seide besät mit Weißgold, auf der Stirn ein Aquamarinfiligran. «
Du möchtest mehr über diese Sultanin erfahren; deine Augen gleiten hastig über die Blätter aus dünnem Luftpostpapier, als glaubtest du schon, sie werde jeden Moment hervortreten. Doch anscheinend war Marana, während er Seiten um Seiten füllte, vom gleichen Verlangen getrieben wie du und verfolgte die Schöne, während sie sich verbarg. Von Brief zu Brief wird die Geschichte komplizierter: In einem Schreiben an Cavedagna »aus einer prächtigen Residenz am Rande der Wüste« versucht Marana sein plötzliches Verschwinden zu erklären, indem er berichtet, er sei von den Emissären des Sultans mit Gewalt (oder durch Überredung, mit der Aussicht auf einen verlockenden Vertrag?) dazu gebracht worden, sich in jenen Teil der Welt zu begeben, um dort seine Arbeit fortzusetzen, genau wie zuvor. .. »Die Frau des Sultans darf keinen Augenblick unversorgt bleiben mit Büchern ihres Geschmacks; es gibt da eine Klausel im Ehevertrag, eine Bedingung, die sie ihrem noblen Freier gestellt hatte, bevor sie in die Heirat einwilligte. Nach friedlichen Flitterwochen, in denen die junge Sultanin regelmäßig die Neuerscheinungen der wichtigsten westlichen Literaturen erhielt, jeweils in den Originalsprachen, die sie allesamt fließend liest, ergab sich eine heikle Situation. .. Der Sultan fürchtet, anscheinend nicht ohne Grund, ein revolutionäres Komplott. Seine Geheimdienste haben herausgefunden, daß die Verschwörer chiffrierte
Weitere Kostenlose Bücher