Wenn ein Reisender in einer Winternacht
aus Tinte und Punkten und Strichen, das die Romane geschrieben hat, die ich nicht mehr schreiben werde, auf den Autor, der immer noch eindringt ins Innere dieser jungen Frau - während ich, ich hier und jetzt, mit meiner physischen Kraft, die ich viel ungebrochener in mir sich regen fühle als meinen schöpferischen Elan, von ihr getrennt bin durch den immensen Abstand zwischen der Tastatur einer Schreibmaschine und dem weißen Blatt auf der Walze.
»Kommunikation läßt sich auf verschiedenen Ebenen herstellen. «, beginne ich zu erklären und trete ihr näher, gewiß mit etwas überstürzten Bewegungen, aber die visuellen und taktilen Bilder, die mir jetzt wild durch den Kopf wirbeln, drängen mich, alles Trennende und Verzögernde wegzuschieben.
Ludmilla windet sich, reißt sich los: »Was tun Sie da, Mister Flannery! Es geht doch nicht darum! Sie sind auf dem Holzweg!«
Gewiß, ich hätte etwas stilvoller vorgehen können, aber nun ist es zu spät für Korrekturen, ich kann nur noch voll aufs Ganze gehen: Ich grapsche nach ihr, verfolge sie um den Schreibtisch herum, stoße alberne Sätze hervor, deren ganze Albernheit ich erkenne, wie etwa: »Sie meinen wohl, ich wäre zu alt, na warten Sie. «
»Stop, Mister Flannery, das ist alles ein Mißverständnis!« sagt Ludmilla, bleibt stehen und packt zwischen uns die Masse des Websterschen Universallexikons. »Ich könnte ohne weiteres mit Ihnen schlafen, Sie sind ein netter und gutaussehender Herr. Aber das wäre völlig irrelevant für das Problem, das wir eben besprochen haben. Mit dem Autor Silas Flannery, dessen Romane ich lese, hätte das nichts zu tun. .. Wie soll ich's Ihnen erklären, Sie sind zwei getrennte Personen, zwischen deren Beziehungsfeldern es keinerlei Interaktion gibt. Ich bezweifle gar nicht, daß Sie ganz konkret diese und keine andere Person sind, obwohl Sie mir sehr ähnlich erscheinen wie viele Männer, die ich gekannt habe, aber was mich interessiert, ist der andere, der Silas Flannery, der in den Werken von Silas Flannery existiert, unabhängig von Ihnen, der Sie hier vor mir stehen. «
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn. Ich setze mich.
Etwas ist in mir erloschen - vielleicht das Ich, vielleicht der Inhalt des Ich. Aber war es nicht das, was ich wollte? Strebte ich nicht nach Entpersonalisierung?
Womöglich sind Marana und Ludmilla gekommen, um mir beide dasselbe zu sagen - nur weiß ich nicht, ob es eine Befreiung oder eine Verdammung ist. Warum sind sie ausgerechnet zu mir gekommen, genau in dem Augenblick, da ich mich fester denn je an mich selbst gekettet fühle wie in einem Gefängnis?
Kaum war Ludmilla gegangen, bin ich zum Fenster gelaufen, um mich am Anblick der Frau im Liegestuhl aufzurichten. Sie war nicht da. Mir kam ein Verdacht: Wie, wenn sie dieselbe Frau wäre, die mich eben besucht hat? Vielleicht steht sie und immer nur sie am Ursprung aller meiner Probleme? Vielleicht ist das Ganze ein Komplott, um mich am Schreiben zu hindern, eine Verschwörung, an der Ludmilla genauso beteiligt ist wie ihre Schwester und dieser Übersetzer?
»Am meisten faszinieren mich die Romane«, sagte Ludmilla heute, »die um ein Knäuel von menschlichen Beziehungen, das nicht dunkler, grausamer und perverser sein könnte, einen Anschein von Transparenz erzeugen.«
Ich weiß nicht, ob sie mir damit erklären wollte, was sie in meinen Romanen faszinierend findet, oder was sie in meinen Romanen vergeblich sucht.
Das stete, unstillbare Suchen scheint mir überhaupt das Charakteristische an Ludmilla zu sein: Mir scheint, ihre Präferenzen ändern sich über Nacht und spiegeln heute einfach bloß ihre Unruhe. (Doch als sie vorhin wiederkam, schien sie alles vergessen zu haben, was gestern geschehen war.)
»Durch mein Fernglas kann ich eine lesende Frau betrachten, auf einer Terrasse unten im Tal«, habe ich ihr erzählt. »Ich frage mich, ob die Bücher, die sie liest, beruhigend oder beunruhigend sind.«
»Wie wirkt denn die Frau? Ruhig oder unruhig?« »Ruhig.«
»Dann liest sie beunruhigende Bücher.«
Habe Ludmilla auch erzählt, was für sonderbare Ideen mir bisweilen angesichts meiner Manuskripte kommen: daß sie verschwinden, wieder auftauchen, nicht mehr dieselben sind wie zuvor. Sie meinte, ich solle gut aufpassen: Es gebe ein Komplott der Apokryphen, das seine Verzweigungen überallhin ausdehne. Ich fragte sie, ob die Verschwörung von ihrem ExFreund angeführt werde.
»Verschwörungen gleiten ihren Anführern
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