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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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immer aus den Händen«, antwortete sie ausweichend.
     
    »Apokryph« (von griechisch apökryphos, verborgen, geheim): 1. ursprünglich Bezeichnung für die »Geheimbücher« religiöser Sekten, dann für heiligmäßige, aber nicht als kanonisch anerkannte Texte in Religionen, die einen Kanon von Offenbarungsschriften aufgestellt haben; 2. Bezeichnung für fälschlich einer Epoche oder einem Autor zugeschriebene Texte.
    So die Wörterbücher. Vielleicht war meine wahre Berufung die eines Autors von Apokryphen in allen drei Bedeutungen des Begriffs. Denn erstens heißt schreiben immer etwas verbergen, so daß es später entdeckt wird; zweitens ist die Wahrheit, die aus meiner Feder kommen kann, wie ein Splitter, der bei einem heftigen Stoß von einem gewaltigen Felsblock abspringt und weit davonfliegt; drittens schließlich gibt es keine Wahrheit außer der Fälschung.
     
    Möchte Marana wiedersehen und ihm vorschlagen, daß wir uns zusammentun, um die Welt mit Apokryphen zu überschwemmen. Aber wo mag er jetzt stecken? Ist er nach Japan zurückgekehrt? Versuche, Ludmilla in Gespräche über ihn zu verwickeln, vielleicht kann sie mir etwas über seinen Aufenthaltsort sagen. Sie meint, zur Ausübung seiner Tätigkeit müsse der Fälscher sich in Gebieten verstecken, wo die Schriftsteller zahlreich und produktiv sind, damit er seine Fälschungen gut getarnt einer üppigen Produktion von echten Rohstoffen beimischen kann.
    »Also ist er nach Japan zurückgekehrt?« Nein, wieso Japan, von einer Verbindung zwischen Japan und ihrem Ex-Freund scheint Ludmilla nichts zu wissen. Ganz woanders auf dem Erdball ortet sie die geheime Basis der Machenschaften des treulosen Übersetzers. Seinen letzten Lebenszeichen zufolge habe er seine Spuren irgendwo in der Nähe der Anden verwischt. Aber wo auch immer, ihr komme es nur darauf an, daß er möglichst weit weg ist. Sie habe sich hier in die Berge geflüchtet, um ihm zu entfliehen. Nun, da sie sicher sei, ihm nicht zu begegnen, könne sie wieder heimfahren.
    »Soll das heißen, daß du abreisen willst?« frage ich sie. »Morgen früh«, verkündet sie mir. Die überraschende Neuigkeit macht mich sehr traurig. Fühle mich plötzlich allein.
     
    Habe erneut mit den Ufo-Beobachtern gesprochen. Diesmal sind sie zu mir gekommen, um sich zu erkundigen, ob ich das von den Außerirdischen diktierte Buch vielleicht zufällig schon geschrieben habe.
    »Nein, aber ich weiß, wo es zu finden ist«, sagte ich und trat an das Fernglas auf dem Stativ. Schon vor einiger Zeit war mir der Gedanke gekommen, es könnte sich bei dem Buch in den Händen der Frau auf dem Liegestuhl um das interplanetarische handeln.
    Die Frau war nicht auf der gewohnten Terrasse. Enttäuscht suchte ich mit dem Fernglas die Hänge ab, rings um das Tal, da sah ich einen Mann in städtischer Kleidung auf einem Stein sitzen mit einem aufgeschlagenen Buch in der Hand. Der Zufall traf sich wie eine Fügung, so daß es nicht abwegig schien, an einen außerirdischen Eingriff zu denken.
    »Dort ist das Buch, das ihr sucht«, sagte ich zu den Jungen und zeigte ihnen durchs Fernglas den Unbekannten.
    Einer nach dem anderen schaute hindurch, dann tauschten sie stumme Blicke, dankten mir und verschwanden.
     
    Ein Leser ist gekommen, um mir ein Problem vorzulegen, das ihn beunruhigt: Er habe zwei Exemplare meines Buches In einem Netz von Linien usw. gefunden, die äußerlich vollkommen gleich seien, aber zwei ganz verschiedene Romane enthielten. Der eine sei die Geschichte eines Professors, der das Klingeln des Telefons nicht erträgt, der andere die Geschichte eines Milliardärs, der Kaleidoskope sammelt. Leider könne er mir nicht viel mehr erzählen, auch mir die Bücher nicht zeigen, da ihm beide, bevor er sie habe auslesen können, geraubt worden seien, das zweite kaum einen Kilometer von hier.
    Er war noch ganz verwirrt von dieser sonderbaren Begebenheit: Vor seinem Besuch bei mir, erzählte er, habe er sich vergewissern wollen, daß ich zu Hause sei, und zugleich die Lektüre des Buches fortsetzen wollen, um besser mit mir darüber sprechen zu können; also habe er sich mit dem Buch in der Hand auf einen Stein gesetzt, von dem aus er mein Chalet im Auge behalten konnte. Nach einer Weile sei er plötzlich von einem Haufen Irrer umzingelt worden, die sich wie wild auf sein Buch stürzten. Die Verrückten hätten erst eine Art Ritus um dieses Buch veranstaltet, indem einer von ihnen es hochhielt und die anderen es voller

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