Wenn ein Reisender in einer Winternacht
zumindest teilweise - den Roman Rings um eine leere Grube von Calixto Bandera gelesen. Daher scheint es uns angebracht, Ihre Leseeindrücke mit den Resultaten der Lesemaschine zu vergleichen.«
Er führt dich in den Maschinenraum. »Darf ich Ihnen unsere Programmiererin Sheila vorstellen?«
Vor dir, in einem hochgeschlossenen weißen Laborkittel, steht Corinna-Gertrude-Alfonsina, beschäftigt mit der Bedienung einer Batterie blanker glatter Metallschränke ähnlich Geschirrspülern. »Dies sind unsere Speichereinheiten, die den ganzen Text von Banderas Rings um eine leere Grube gespeichert haben. Das Terminal ist eine Druckeinheit, die den Roman, wie Sie sehen, Wort für Wort von A bis Z ausgedruckt reproduzieren kann«, erklärt dir der Offizier. Ein langer Papierstreifen quillt aus einer Art Schreibmaschine, die ihn ratternd im Tempo eines Maschinengewehrs mit kalten eckigen Großbuchstaben bedeckt.
»Dann könnte ich mir ja, wenn Sie gestatten, die Kapitel herausnehmen, die ich noch nicht gelesen habe«, sagst du erfreut und streichst schüchtern-liebevoll über den breiten Schriftstrom, in dem du die Prosa wiedererkennst, die dir deine einsamen Stunden in der Zelle verkürzt hatte.
»Bitte, bedienen Sie sich in aller Ruhe«, sagt der Offizier. »Ich lasse Ihnen Sheila hier, sie wird das gewünschte Programm eingeben.«
Leser, du hast das Buch, das du suchtest, wiedergefunden! Du kannst den verlorenen Faden nun wieder aufnehmen, das Lächeln kehrt auf deine Lippen zurück. Aber scheint dir, daß diese Geschichte so weitergehen kann? Nein, nicht die des Romans: deine! Wie lange willst du dich noch so passiv von den Ereignissen treiben lassen? Voller Elan und Lust auf Abenteuer hattest du dich in die Handlung gestürzt. Und dann? Sehr schnell hat sich deine Funktion auf die eines Fremdgesteuerten reduziert, du registrierst nur noch Situationen, die andere entschieden haben, erduldest Willkürakte, siehst dich in Geschehnisse involviert, die deiner Kontrolle entzogen sind. Was nützt dir da noch deine Rolle als Held? Wenn du dich weiter zu diesem Spiel hergibst, bedeutet das: Du bist selber nur noch ein Komplize der allumfassenden Mystifizierung.
Du packst das Mädchen am Arm. »Schluß jetzt mit den Verkleidungen, Lotaria! Wie lange willst du dich noch von so einem autoritären Polizeiregime manipulieren lassen?«
Diesmal kann Sheila-Ingrid-Corinna eine gewisse Verlegenheit nicht verbergen. Sie befreit ihren Arm aus deinem Griff. »Ich verstehe nicht, wen du da anklagst. Ich weiß nichts von deinen Geschichten. Ich verfolge eine sehr klare Strategie. Die Gegenmacht muß sich in die Mechanismen der Macht einschleichen, um sie zu stürzen.«
»Und sie dann genau so wieder aufzubauen! Es ist zwecklos, daß du dich verkleidest, Lotaria. Wenn du eine Uniform aufknöpfst, ist darunter immer wieder nur eine andere Uniform!«
Sheila sieht dich herausfordernd an. »Aufknöpfen. ? Na, probier's doch mal. ..«
Du hast dich zum Kampf entschieden, du kannst jetzt nicht mehr zurück. Mit fliegenden Fingern knöpfst du den weißen Kittel der Programmiererin Sheila auf und findest darunter die Polizeiuniform Alfonsinas, du reißt ihr die goldenen Knöpfe ab und entdeckst den Anorak von Corinna, du ziehst den Reißverschluß auf und erblickst die Kragenspiegel von Ingrid. ..
Die restlichen Kleider reißt sie sich selber vorn Leib: Es erscheinen zwei feste, melonenförmige Brüste, ein leicht konkaver Magen, ein tiefliegender Nabel, ein leicht konvexer Bauch, die vollen Hüften einer Scheinmageren, eine stolze Scham, zwei kräftige lange Schenkel.
»Und das?« triumphiert Sheila. »Ist das auch eine Uniform?«
»Nein«, murmelst du verwirrt, »das nicht. «
»Eben doch!« schreit sie. »Der Körper ist eine Uniform! Der Körper ist bewaffneter Kampf! Der Körper ist gewalttätige Aktion! Der Körper fordert die Macht! Der Körper führt Krieg! Der Körper erklärt sich zum Subjekt! Der Körper ist Ziel und nicht Mittel! Der Körper ist Ausdruck! Der Körper spricht!
Kommuniziert! Schreit! Rebelliert! Macht Revolution!«
Schon hat sich Alfonsina-Sheila-Gertrude auf dich geworfen, dir die Sträflingskleidung vom Leibe gerissen, schon vermischen sich eure nackten Glieder unter den elektronischen Datenspeichergeräten.
Leser, was tust du da? Widerstehst du nicht? Fliehst du nicht? Ach, du machst mit. ? Ach, du wirfst dich ebenfalls rein. ? Zugegeben, du bist der unumstrittene Held dieses Buches, aber glaubst du, das gibt
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