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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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nicht nichts. Du machst dir klar, es gehört schon ein guter Schuß Leichtsinn dazu, sich zweifelhaften, aufs Geratewohl gesteuerten Apparaten anzuvertrauen; womöglich verrät sich darin gar eine unaufhaltsame Neigung zur Passivität, zur Regression, zur infantilen Abhängigkeit. (Aber sinnierst du jetzt über das Fliegen oder über das Lesen?)
    Die Maschine landet. Du bist nicht fertiggeworden mit dem Roman Auf dem mondbeschienenen Blätterteppich von Takakumi Ikoka. Du liest weiter beim Hinuntersteigen über die Stufen, im Bus auf der Fahrt übers Vorfeld, beim Schlangestehen vor der Paß- und Zollkontrolle. Du bewegst dich langsam voran, das aufgeschlagene Buch vor Augen, da zieht es dir jemand weg, und als würde ein Vorhang hochgezogen, erblickst du vor dir eine Phalanx von Polizisten in schimmernder Wehr, gezäumt mit ledernen Schulterriemen, gerüstet mit automatischen Waffen, geschmückt mit goldenen Adlern und Epauletten.
    »He, mein Buch. ..«, lamentierst du und streckst mit kindlicher Geste die leere Hand zu dieser herrisch Halt gebietenden Schranke aus funkelnden Knöpfen und Feuermündungen.
    »Beschlagnahmt, Senor! Dieses Buch darf nicht nach Ataguitanien eingeführt werden. Es ist ein verbotenes Buch.«
    »Aber wie kann das sein. ..? Ein Buch über die fallenden Blätter im Herbst. ..? Mit welchem Recht. ..?«
    »Es steht auf dem Index der zu konfiszierenden Bücher. So will es unser Gesetz. Wollen Sie uns belehren, was wir zu tun haben?« Von Wort zu Wort, von Silbe zu Silbe hat sich der Ton verschärft, vom Knappen zum Barschen, vom Barschen zum Einschüchternden, vom Einschüchternden zum Drohenden.
    »Aber ich.    ich war doch schon beinahe fertig. «
    »Laß«, flüstert hinter dir eine Stimme. »Leg dich mit denen nicht an. Wegen dem Buch mach dir keine Sorgen, ich hab auch ein Exemplar. Warte bis nachher. «
    Es ist eine Mitreisende: jung, selbstsicher, hochaufgeschossen, in Jeans, bebrillt, mit Taschen behängt; passiert die Kontrollen wie eine, die es gewohnt ist. Kennst du sie? Auch wenn sie dir bekannt vorkommt, laß dir nichts anmerken: Sicher will sie nicht, daß man euch miteinander reden sieht. Sie hat dir gewinkt, du sollst ihr folgen: Verlier sie nicht aus den Augen. Draußen vor dem Flughafengebäude nimmt sie ein Taxi und winkt dir, das nächste zu nehmen. Auf freiem Gelände hält ihr Taxi, sie steigt mit ihrem ganzen Gepäck in das deine um. Wenn ihre kurzgeschnittenen Haare nicht wären und ihre enorme Brille, du würdest sagen: Lotaria.
    Du probierst es: »Hör mal, du bist doch. «
    »Corinna, nenn mich Corinna.«
    Sie kramt in ihren Taschen, fördert ein Buch zutage und gibt es dir.
    »Aber das ist es nicht«, sagst du, als du auf dem Umschlag den Titel und den Namen des Autors liest: Rings um eine leere Grube von Calixto Bandera, nie gehört. »Es war ein Buch von Ikoka, das sie mir beschlagnahmt haben.«
    »Genau das hab ich dir gegeben. In Ataguitanien können Bücher nur mit falschen Umschlägen zirkulieren.«
    Während das Taxi mit Vollgas durch eine staubige Vorstadt prescht, kannst du der Versuchung nicht widerstehen, das Buch aufzuschlagen, um zu prüfen, ob Corinna die Wahrheit gesagt hat. Von wegen! Es ist ein Buch, das du zum erstenmal siehst, und es klingt überhaupt nicht wie ein Roman aus Japan: Es beginnt mit einem Mann, der über den Altiplano reitet und Raubvögel ziehen sieht, sogenannte Zopilotes.
    »Wenn schon der Umschlag falsch ist«, sagst du, »wird auch der Text wohl gefälscht sein.«
    »Was hast du anderes erwartet?« sagt Corinna. »Wenn der Fälschungsprozeß erst einmal in Gang gekommen ist, gibt es kein Halten mehr. Wir sind hier in einem Land, wo man alles, was fälschbar ist, schon gefälscht hat: Gemälde in den Museen, Goldbarren, Busfahrkarten. Die Revolution und die Konterrevolution bekämpfen einander mit Fälschungen. Das Ergebnis ist, daß keiner mehr genau weiß, was echt und was falsch ist. Die politische Polizei simuliert revolutionäre Aktionen, und die Revolutionäre verkleiden sich als Polizisten.«
    »Und wer gewinnt am Ende?«
    »Das kann man jetzt noch nicht sagen. Es kommt darauf an, wer sich die eigenen Fälschungen und die der anderen besser zunutze zu machen versteht, die Polizei oder unsere Organisation.«
    Der Taxifahrer spitzt die Ohren. Du bedeutest Corinna, nicht so unvorsichtig zu reden. Aber sie: »Hab keine Angst. Dies ist ein fingiertes Taxi.
    Mich beunruhigt eher, daß uns ein zweites Taxi folgt.« »Ein echtes

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