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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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oder fingiertes?«
    »Sicherlich ein fingiertes, nur weiß ich nicht, ob von der Polizei oder von unseren Leuten.«
    Du schielst durch das Heckfenster auf die Straße. »He, sieh mal«, rufst du erschrocken, »da fährt noch ein drittes Taxi hinter dem zweiten. «
    »Das könnten unsere Leute sein auf den Spuren der Polizei oder auch Polizisten auf unseren Spuren. ..«
    Das zweite Taxi überholt euch, stoppt, bewaffnete Männer springen heraus und zwingen euch auszusteigen. »Polizei! Sie sind verhaftet!« Handschellen werden euch angelegt, ihr müßt alle drei in das zweite Taxi umsteigen: du, Corinna und euer Chauffeur.
    Corinna, seelenruhig und lächelnd, grüßt die Beamten: »Ich bin Gertrude. Dies ist ein Freund. Bringt uns zur Kommandantur.«
    Bist du sprachlos? Corinna-Gertrude flüstert dir zu, in deiner Muttersprache: »Keine Angst, das sind falsche Polizisten. Sie gehören in Wahrheit zu uns.«
    Ihr seid kaum losgefahren, da blockiert das dritte Taxi das zweite. Andere Bewaffnete springen heraus, diesmal vermummte, entwaffnen die Polizisten, nehmen dir und Corinna-Gertrude die Handschellen ab, legen sie den Polizisten an, zwängen euch allesamt in ihr Taxi.
    Corinna-Gertrude bleibt ungerührt: »Danke, Genossen. Ich bin Ingrid, der hier ist einer von uns. Bringt uns zum Hauptquartier.«
    »Schnauze!« blafft einer von ihnen, der offenbar ihr Anführer ist. »Glaubt ja nicht, ihr könnt uns zum Narren halten! Wir müssen euch jetzt die Augen verbinden. Ihr seid unsere Geiseln.«
    Du weißt nicht mehr, wo dir der Kopf steht, zumal jetzt Corinna-Gertrude-Ingrid ins andere Taxi verfrachtet wird. Als man dir den Gebrauch deiner Glieder und Augen wieder gestattet, befindest du dich in der Wachstube eines Polizeikommissariats oder einer Kaserne. Uniformierte fotografieren dich, von vorne und im Profil, nehmen dir die Fingerabdrücke ab. Ein Offizier ruft: »Alfonsina!«
    Herein tritt Gertrude-Ingrid-Corinna, auch sie in Polizeiuniform, und reicht dem Offizier eine Mappe mit Dokumenten zum Unterschreiben.
    Indessen wirst du von Schreibtisch zu Schreibtisch weitergereicht: Ein Beamter nimmt dir den Paß ab, ein anderer das Geld, ein dritter die Kleidung, die durch einen Gefängniskittel ersetzt wird.
    »Was ist das jetzt für eine Falle?« kannst du schließlich Ingrid-Gertrude-Alfonsina fragen, als ihr einen Moment lang unbewacht seid.
    »Unter den Revolutionären gibt es infiltrierte Konterrevolutionäre, die uns in einen Hinterhalt der Polizei geführt haben. Aber zum Glück gibt es bei der Polizei eine Menge infiltrierte Revolutionäre, die vorgegeben haben, mich als Agentin der Kommandantur zu erkennen. Was dich betrifft, du kommst in ein fingiertes Gefängnis, das heißt in einen echten Staatsknast, der aber nicht von ihnen, sondern von uns kontrolliert wird.«
    Du kannst nicht umhin, an Marana zu denken. Wer sonst, wenn nicht er, könnte eine derartige Intrige ausgeheckt haben?
    »Mir scheint, ich erkenne den Stil eures Chefs«, sagst du zu Alfonsina.
    »Wer unser Chef ist, spielt keine Rolle. Er könnte ein falscher Chef sein, der für die Revolution zu arbeiten vorgibt in der alleinigen Absicht, die Konterrevolution zu fördern, oder der offen für die Konterrevolution arbeitet in der Überzeugung, daß er auf diese Weise die Revolution herbeiführt.«
    »Und du arbeitest mit ihm zusammen?«
    »Bei mir liegt die Sache anders. Ich bin eine Infiltrierte, eine ins Lager der falschen Revolutionäre infiltrierte echte Revolutionärin. Aber um nicht entdeckt zu werden, muß ich so tun, als sei ich eine unter die echten Revolutionäre infiltrierte Konterrevolutionärin. Was ich tatsächlich auch bin, insofern ich der Polizei unterstehe; allerdings nicht der echten, denn ich unterstehe den unter die konterrevolutionären Infiltratoren infiltrierten Revolutionären.«
    »Wenn ich recht verstehe, sind hier alle infiltriert, bei der Polizei und bei der Revolution. Wie schafft ihr es, euch auseinanderzuhalten?«
    »Man muß bei jedem wissen, wer die Infiltratoren sind, die ihn infiltriert haben. Und noch vorher muß man wissen, wer die Infiltratoren infiltriert hat.«
    »Und ihr bekämpft euch weiterhin bis aufs Blut, obwohl ihr wißt, daß keiner ist, was er zu sein behauptet?«
    »Was hat das denn damit zu tun? Jeder muß seine Rolle bis zu Ende spielen.«
    »Was wäre dann meine Rolle?«
    »Wart's ab und gedulde dich. Lies weiter dein Buch.«
    »Verdammt! Das hab ich verloren, als ich befreit. ich meine verhaftet

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