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Wenn Eltern es zu gut meinen

Titel: Wenn Eltern es zu gut meinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Young-Eisendrath
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die Bemerkungen anderer eingepflanzt werden, er kann jedoch durch zu viel Kritik oder unverdientes Lob be einträchtigt werden. Die heutigen Eltern neigen dazu, der bloßen Existenz ihrer Kinder zu viel Anerkennung und Begeisterung entgegenzubringen, was die im Aufbau begriffene Fähigkeit des Kindes stört, seine eigenen Handlungen und Wirkungen realistisch einordnen zu können. 13 Es für jeden Schritt, den es macht, jede Aufgabe,
die es erledigt, jedes Fußballspiel, das es spielt, und jedes Buch, das es liest, überschwänglich zu loben begünstigt das Steckenbleiben in der Selbstwertfalle. Wenn man von einem Kind, dessen normale Rolle es ist, ein zivilisiertes Mitglied der menschlichen Gemein schaft zu werden, nichts verlangt, fühlt es sich womöglich schon wichtig, weil es atmet - eine Überzeugung, die ihm keine guten Dienste leisten wird. Eine frustrierte Großmutter sagte mir neulich: »Ich war entgeis tert, als meine Tochter feierte, dass ihr kleiner Sohn sauber ist. Eine Party zu geben, weil er in den Topf macht! Mensch, dachte ich, so weit ist es schon gekommen. Das Kind glaubt, dass es etwas Besonderes geleistet hat, zivilisiert zu werden. Aber das ist keine Leistung! Das ist bloß ein Teil des Lebens!«
    Wenn fürsorgliche Eltern bei jeder kleinen Be mühung Ah und Oh rufen und sogar normale oder mittelmäßige Leistungen loben, entwickeln Kinder Probleme mit einer realistischen Einschätzung ihrer Handlungen. Sollen sie glauben, was Mama oder Papa sagen, oder sollen sie sich lieber an die Tatsachen halten? Es braucht viel Zeit und Entwicklung, um die Stimme der inneren Führung im Zentrum unseres Seins zu verfeinern, jene Stimme des wahren Selbstwerts und des Mitgefühls mit uns selbst, die uns eine einigermaßen gute - realistische und wohlwollende - Einschätzung dessen gibt, wie wir auf andere wirken und welche Fähigkeiten und Fehler wir haben. Durch überzogenes elterliches Lob können Kinder mit der Zeit tatsächlich das Vertrauen zu ihrer eigenen Fähigkeit verlieren, sich selbst einzuschätzen, und das macht sie (besonders als Jugendliche) sehr empfänglich für den Druck vonseiten Gleichaltriger und der Popkultur.

    Als man vor etwa hundert Jahren zum ersten Mal das »besondere Selbst« erdachte, hielten die Menschen es für den Schlüssel zu Glück und Echtheit. Aber paradoxerweise bestehen einige seiner dauerhaftesten Folgen in einer negativen Selbsteinschätzung, einer Unterbewertung der Normalität und in Schwierigkeiten damit, ein zutreffendes und mitfühlendes Bild von sich zu haben. Unsere gesellschaftliche Vorstellung am Ende des 20. Jahrhunderts, dass jeder zum Erfolg geboren sei, hat unter Kindern und Jugendlichen zu einer Epidemie überzogener und gewöhnlich negativer Ichgefühle geführt. Diese Epidemie zeigt sich nicht nur in Form der Selbstwertfalle, sondern wird auch in peinlichen und unerfreulichen Situationen sichtbar, in denen Kinder das Sagen zu haben scheinen, und sie führt zu der Art Unglück und Leiden, das Jason in seinen Zwanzigern und Adrienne in ihren Dreißigern erleben. Obwohl beide intelligent und gut gebildet sind, haben sie Angst vor den Stürmen des Schicksals, weil es ihnen an realistischem Selbstwert und dem Vertrauen darauf fehlt, normal zu sein. Wie bereits erwähnt, besteht ein Hauptsymptom der Selbstwertfalle darin, dass das Selbstwertgefühl sehr schnell in Gefühle von Scham oder Blamage umschlagen kann, wenn man auf ganz gewöhnliche Weise versagt, Fehler macht und Schönheit, Erfolge und Leistungen nicht hundertprozentig perfekt sind.
    Das vielleicht Allerschlimmste ist der Selbsthass, der daraus resultiert, den hohen Ansprüchen, besonders zu sein, nicht gerecht zu werden. Eine Überbetonung der Begabungen, Fähigkeiten oder Einsichten eines Kindes (wie hochbegabt es auch sein mag) führt natürlich zu einem übertriebenen Gefühl eigener Wichtigkeit in der
Pubertät und den frühen Erwachsenenjahren, und dann kann der Wunsch, eine warme Pizza zu bestellen, automatisch die Fähigkeit blockieren, einer kranken Mutter zuzuhören. 14
    Unsere Kinder sind zu sehr auf ihre eigenen Bedürfnisse fixiert, noch bevor sie irgendeine Chance haben, eine innere Stimme des Selbstwerts und des Mitgefühls mit sich selbst zu entwickeln, die ihre Stärken und Schwächen richtig einschätzt und ihnen erlaubt, andere im Geiste der Dankbarkeit und Großzügigkeit wertzuschätzen. Ein angemessenes Selbstwertgefühl beinhaltet ein Wissen um unsere Schwächen und Grenzen.

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