Wenn Eltern es zu gut meinen
Es erlaubt uns, uns klarzumachen, wann wir die Hilfe von anderen brauchen und was wir unabhängig und allein zustande bringen können. Wenn Kinder lernen, anderen zu helfen und selbst Hilfe in Anspruch zu nehmen, fühlen sie sich mit sich selbst wohler, weil sie zu der Einsicht kommen, dass jeder sich Mühe geben muss (es ist nichts Individuelles) und jeder Hilfe leisten kann. Selbst ein Vorschulkind kann lernen, Rücksicht auf die Gefühle und Sorgen anderer zu nehmen, besonders auf die jener Erwachsenen, die es mit Nahrung und allem Lebensnotwendigen versorgen. Das Gefühl, besonders zu sein, bringt nicht nur zu viel Selbstzentriertheit hervor. Vielmehr besteht das Prob lem mit der Besonderheit darin, dass sie die Fähigkeit behindert, sich normal zu fühlen und eine grundlegende Einsicht in die Grundbedingung menschlicher Existenz zu gewinnen: die Erkenntnis, dass wir alle verbunden sind und uns gegenseitig brauchen, um mit den normalen Schwierigkeiten des menschlichen Lebens umzugehen.
Eine neue Art von Selbstvertrauen
Dieses Buch schöpft aus vielen Quellen, um die Selbstwertfalle zu überwinden, aber es gibt zwei Richtungen, die ich betone: den Buddhismus und die psychoana lytische Psychologie. 15 Auch wenn man den Buddhismus eine Religion nennen kann, hat er keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Jeder kann seine Methoden anwenden - ein Anhänger jeder oder keiner Religion. Daher möchte ich Ihnen einige buddhistische Lehren vermitteln, die uns die Augen für eine neue Art, uns zu entwickeln, öffnen können.
Im Gegensatz zur westlichen Betonung der Wichtigkeit des individuellen Selbst bietet die althergebrachte Tradition des Buddhismus einen Weg zu Selbstver trauen, der darauf beruht, uns in geschickter Weise auf unsere Interdependenz einzulassen. Interdependenz oder gegenseitige Abhängigkeit ist das Beziehungs geflecht, das uns Augenblick für Augenblick trägt, indem es uns unterstützt und inspiriert. Gemeinsinn als Grundlage des Selbstvertrauens gibt Eltern und Kindern unendlich viele Möglichkeiten, sich zu entwickeln, und zu lernen, sich gegenseitig zu helfen. Ich werde viele davon in diesem Buch beschreiben.
Andererseits habe ich eine entscheidende Lehre in der Psychoanalyse gefunden, die ich im Buddhismus nicht klar herausgestellt finde: dass unsere Autonomie von wesentlicher Bedeutung für unsere Entwicklung ist, angefangen von der Kindheit und sich im Leben fortset zend. Autonomie ist nicht das Gegenteil von Interde pendenz, sondern - richtig angewandt - ihre Optimierung. Durch Autonomie werden wir selbstbestimmte Menschen und sind imstande, eigene Entscheidungen
zu fällen. 16 Das ist eine Fähigkeit, die in der westlichen Psychologie und Philosophie betont wurde, weil unsere (philosophischen, sozialen und politischen) Aufklärungsbewegungen sich für die individuelle Freiheit eingesetzt und sie geschützt haben. Wie ich bereits erwähn te, wurde unsere westliche Betonung der individuellen Freiheit zeitweilig durch die Annahme verzerrt, dass das Individuum eine autarke Einheit sei. Viele asiatische Kulturen mit ihren fest gefügten Kastensystemen und Hierarchien, was Rasse und Geschlecht angeht, haben hingegen die Wichtigkeit der Selbstbestimmung in der menschlichen Entwicklung unterschätzt. Psychoanalyse und Psychologie helfen uns zu verstehen, dass die von uns getroffenen Entscheidungen und der unmittelbare Umgang mit ihren Folgen uns etwas über uns selbst und die Welt lehren, die wir bewohnen.
Robustes Selbstvertrauen, Selbstbestimmung, Mit gefühl mit uns selbst und innere Stabilität beruhen darauf, frühzeitig und immer wieder zu lernen, dass sich wahres Glück prinzipiell auf zwei Arten einstellt: wenn wir imstande sind, mit anderen fürsorglich und freundlich umzugehen (da wir immer auf andere angewiesen sind, müssen wir unsere Verbindung zu ihnen aufrechterhalten), und wenn wir für uns und unsere Handlungen die Verantwortung übernehmen. Mit dieser Grundlage haben Kinder die beste Vorbereitung auf ein Leben der Kreativität und des Selbstvertrauens statt der Rastlosigkeit und negativen Selbsteinschätzung.
Ich möchte hier auf eine weitere fundamentale bud dhistische Lehre zu sprechen kommen, weil sie unmit telbar das Problem der negativen Selbsteinschätzung berührt: Das menschliche Leben beinhaltet immer Unzufriedenheit und Schwierigkeiten. 17 Ganz gleich, wer
wir sind: Uns werden negative Dinge zustoßen, wie sehr wir auch versuchen, sie fernzuhalten. Es ist nicht unser
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