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Wenn Eltern es zu gut meinen

Titel: Wenn Eltern es zu gut meinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Young-Eisendrath
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frisch angestellten Verwaltungskraft, einer dreißigjährigen
Frau. In der ersten Woche an ihrem Arbeitsplatz schrieb sie ihm folgende E-Mail: »Ich habe Ihre Besprechung auf Mittwoch 10 Uhr festgesetzt und würde Ihnen vorschlagen, dazu folgende Leute einzuladen …« Die junge Frau war voll und ganz davon überzeugt, dass sie ihre Arbeit gut machte, und hoffte, für ihre Ideen belohnt zu werden. Ihr war überhaupt nicht klar, dass ihr Ton respektlos war.
    College-Professoren im ganzen Land haben mit demselben Problem zu tun. 1 Einer erzählte mir von einem Studienanfänger, der zu seiner ersten Studienberatung gar nicht erst erschien und ihm stattdessen per Voicemail eine Nachricht von der Skipiste schickte. »He Kumpel! Hier ist Ron. Sie sind mein Studienberater. Ich muss den und den Kurs belegen, können Sie das für mich erledigen?« Dieser Professor, ein gestandener Mann um die sechzig, erklärte, dass seine Magisterstudenten ihn gar nicht mehr mit seinem Titel ansprechen. Sie verwenden ganz selbstverständlich seinen Vornamen, selbst wenn sie ihm ihre Kinder vorstellen.
    Wenn ich auf meine eigene Jugend zurückblicke, erinnere ich mich daran, wie streng meine Eltern waren und wie sehr ich gegen ihre Autorität rebellierte. Aber ich gab nicht die Hoffnung auf, mich an jemandem in ihrer Generation orientieren zu können. Auch wenn Jerry Rubin warnte: »Trau keinem über dreißig«, suchte ich wie viele in meiner Generation Orientierung bei Älteren, die ich bewunderte. Und tatsächlich ging ich mit meinen Eltern im Äußeren immer respektvoll um und glaubte, dass die Opfer, die sie für mich brachten, Achtung verdienten, ganz gleich, ob ich mit ihren Überzeugungen und Methoden übereinstimmte oder nicht.

    Es schien mir damals so, als besäße ich ein »natür liches« Gefühl der Bescheidenheit, was mich selbst anging, das ich bei Älteren nie außer Acht ließ, es sei denn, ich wurde konkret darum gebeten. Mittlerweile ist mir klar, dass dieses Gefühl nicht natürlich, sondern anerzogen war. Ich machte mir keine Gedanken, wie ich mich in der gesellschaftlichen Hierarchie bewegen sollte, denn ich hatte gelernt, diejenigen zu respektieren, die ranghöher waren als ich. Ich musste in der Kindheit alle respektieren, die älter waren als ich, und als ich auf der gesellschaftlichen Leiter nach oben stieg, half mir dieses Training, Privilegien zu erwerben, meine Möglichkeiten zu erweitern und Unterstützung von vielen großzügigen Mentoren zu bekommen - besonders da ich eine ambitionierte Frau war zu einer Zeit, als weibliche Ambitionen nicht besonders gern gesehen wurden.
    Doch als ich begann, meine eigenen Kinder großzuziehen, verlangte ich nicht von ihnen, mich oder andere meiner Generation zu respektieren. Seltsamerweise war ich der Meinung, ich müsse mir den Respekt meiner Kinder verdienen , statt ihn zu verlangen.

Eine Babyboomer-Kindheit
    Ich wuchs im Arbeitermilieu auf. Meine ganze Kindheit spielte sich in ein und derselben homogenen Umgebung ab: kleinen eingeschossigen Häusern mit zwei Schlafzimmern, Straße für Straße, in denen Familien wohnten, die meiner im Großen und Ganzen ähnelten. Die Väter gingen frühmorgens in die örtlichen Fabriken zur Arbeit und kamen pünktlich zum Abendessen nach
Hause, irgendwann gegen fünf Uhr nachmittags. Beim Essen waren sie müde und grantig und danach manchmal reizbar oder schläfrig. Sie verbrachten wenig »Mu ßestunden« mit ihrem Nachwuchs, außer an Wochenenden. Einige Väter tranken in Kneipen auf dem Heimweg oder nach dem Abendessen. Meiner nicht.
    Meine Mutter war wie die meisten Mütter der Mittelpunkt der Familie. Während mein Vater aus einer zusammengewürfelten amerikanischen Familie stammte (zum Teil Hinterwäldler, zum Teil Indianer und zum Teil Gesetzlose), kam sie aus einer slowenischen Familie, die sich an die alte Tradition ihres Volksstamms hielt. Meine Mutter schaute auf meinen Vater und seine Familie herab. Sie war die Chefin im Haus und betrieb den Haushalt wie eine gut geölte Maschine oder eine Fabrik. Das Familienleben ähnelte dem von anderen amerikanischen Familien der ersten oder zweiten Einwanderergeneration. Wir lebten nach den Regeln der alten Heimat. Alles hatte seinen Platz; und alles war an seinem Platz.
    Meine Mutter brachte mir alles bei. Ihre Hauptdevise hieß »Ordnung ist das halbe Leben«, und ich hatte mich nach dieser Devise zu richten. Jeder Tag war durch geplant und stand unter einem Thema: Montags war große

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