Wenn Eltern es zu gut meinen
wohnten, kam es zu Handgreiflichkeiten, und so wusste ich aus erster Hand, dass manche Frauen von ihren Männern geschlagen wurden. Bei den Konflikten, die ich zwischen meinen Eltern erlebte, waren meine Sympathien immer aufseiten meiner Mutter.
Ich sollte die Gefährtin, Vertraute und Freundin meiner Mutter sein. Aufgrund eines Schicksalsschlags, den sie zutiefst beklagte, war ich ihr einziges Kind. Als ich in die Grundschule ging, vertraute sie mir an, dass sie meinen Vater nicht mochte. Dennoch verlangte sie von mir, ihn zu respektieren. Weder sie noch mein Vater hatten gelernt, einander Freunde zu sein, aber beide wollten meine Freunde sein. Mein Vater glaubte, dass er meine Freundschaft verloren hatte, weil meine Mutter sich offen über ihn beklagte und ihn verurteilte. Von Zeit zu Zeit versuchte er erfolglos, mit mir zu reden. Inzwischen weiß ich, dass meine Gefolgstreue gegenüber meiner Mutter hauptsächlich darauf beruhte, dass ich ihre Geschichte besser kannte als die meines Vaters. Und ich glaubte ihrer Behauptung, dass sie »die ganze Arbeit« machte, obwohl mein Vater der einzige Ernährer war. Sie erkannte seine anstrengende Arbeit nicht
an, abgesehen von dem zweifelhaften Kompliment, dass er nicht »trank oder sich mit Frauen abgab und seinen Lohn verprasste«, wie es manche andere Männer taten.
In meinen ersten Lebensjahren schien meine besondere Nähe zu meiner Mutter den Nöten des Lebens eine himmlische Milde zu verleihen. Jeden Tag verbrachten wir Zeit miteinander, nur wir beide allein. Sie brachte mir viele Brettspiele bei und spielte sie mit mir. Wenn ich zu Hause für die Schule lernte, wollte sie auch lernen, was ich lernte, und wir unterhielten uns über die Lektion. Sie hatte die Schule mit 13 verlassen müssen und sprach sehnsüchtig davon, ihre Ausbildung fortzusetzen (obwohl sie es nie tat). Als ich mehr wusste als sie, begann ich sie zu unterrichten. Eine Zeitlang machte es Spaß. Doch als ich heranwuchs, wurden mir ihre emotionalen Bedürfnisse immer lästiger, da ich allmählich spürte (ohne es ausdrücken zu können), dass sie mich um meine Leistungen beneidete und sie abwertete.
Als es an der Zeit war, auszuziehen, konnte ich es kaum erwarten, wegzukommen. Die Welt lockte mich; ich hatte von ihr gelesen, aber über mein Viertel und meine Schule hinaus nicht viel von ihr gesehen. In meiner Highschool-Zeit hatte ich zwanzig Stunden in der Woche in der Telefonvermittlung gearbeitet, mehrere Schulvereine geleitet und war Abschiedsrednerin eines Jahrgangs von 400 Schülern gewesen. Ich schrieb meinen Erfolg harter Arbeit zu, nicht angeborener Intelligenz. Ich glaubte nicht, dass die Welt mir etwas schuldete, es sei denn, ich verdiente es mir. Ich war sehr zuversichtlich, dass ich den Anforderungen der Welt gerecht werden könnte. Ich hatte bereits bewiesen, dass ich in der Lage war, hart zu arbeiten, gutes
Geld zu verdienen und gleichzeitig meinen eigenen Interessen und Studien nachzugehen. Und vor allem wusste ich, dass mein Verstand und mein Leben mir gehörten. Nicht einen Augenblick lang bildete ich mir ein, dass meine Zensuren, Interessen oder Zukunfts pläne die Sache meiner Eltern oder von sonst jemand waren. Das war eine ungeheure, wenn auch bittersüße Freiheit, denn trotz meiner Autonomie wünschte ich mir sehr, dass sich meine Eltern über meine Leistungen freuten und sie anerkannten.
Meine Kindheit lässt sich sicher nicht verallgemeinern, und vielleicht waren meine Eltern strenger als die meisten anderen. Und doch habe ich sie so ausführlich geschildert, weil ich glaube, dass sie einige entscheidende Ähnlichkeiten mit der Mehrzahl der Babyboomer-Kindheiten hatte. Diese entscheidenden Merkmale führten dazu, dass wir uns als Generation nach Lob und Anerkennung sehnten. Die Sehnsucht war so stark, dass sie uns blind machte für die vielen Vorzüge unserer Erziehung und die Rolle, die sie bei unseren späteren Erfolgen spielten. Elterliche Autorität, Bewältigung von Schwierigkeiten, tägliche Disziplin, moralische und ethische Erziehung und die Bereit schaft, zum Wohlergehen anderer beizutragen, waren weitestgehend in Vergessenheit geraten, als wir selbst Eltern wurden.
Die Suche nach dem Selbstwert
Warum war die Generation der Babyboomer so erpicht auf einen positiven Selbstwert, dass sie viele wichtige Lehren aus ihrer eigenen Kindheit vergaß? Um diese
Frage zu beantworten, müssen wir noch einmal ein Stück zurückgehen und über den sozialen Kontext
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