Wenn Eltern es zu gut meinen
würde. Ich habe als Erwachsene festgestellt, dass meine Gewohnheit, beharrlich zu sein, reich belohnt wurde. Mit meiner Entscheidung, Psychotherapeutin und Autorin zu werden, habe ich mich auf zwei lebenslange Tätigkeiten ein gelassen, die von mir die innere Offenheit und Bereitwilligkeit verlangen, aus meinen Fehlern zu lernen. Mich immer wieder einer Beziehung oder Aufgabe zu stellen und daran zu arbeiten, nachdem ich Kritik geerntet hatte, war eine der besten Quellen von Weisheit, die ich gefunden habe.
In ihrem Buch über Tugenden und innere Stärken erinnern uns die Psychologen Christopher Peterson und Martin Seligman an die Bedeutung von Fleiß, Geduld und Beharrlichkeit bei der Entwicklung wahrer Kreativität - ein Ziel, das die meisten engagierten Eltern für ihre Kinder haben.
Damit die Kreativität über ihre alltäglichen Formen hinausgehen kann …, muss der Betreffende beträcht liche Fähigkeiten auf dem von ihm gewählten Gebiet
der kreativen Tätigkeit erwerben. Dieser notwendige Erwerb von Fähigkeiten drückt sich oft als die Zehn-Jahres-Regel aus … Dieser Regel zufolge kann niemand kreative Beiträge auf einem bestimmten Gebiet leisten, ohne zuerst ein volles Jahrzehnt der Beherrschung der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu widmen. 14
Beharrlichkeit, Geduld und der Respekt vor Menschen, die älter waren als ich, halfen mir herauszufinden, dass der Erwerb von Fähigkeiten Zeit braucht. Ich begann, meine Enttäuschungen über mich fallen zu lassen und mein Augenmerk auf das zu richten, was ich lernte.
Junge Erwachsene von heute, die nicht begreifen, dass innere Stärken den Erwerb von Fähigkeiten unterstützen und für die Kreativität notwendig sind, geben viele Chancen vorzeitig auf, weil sie glauben, sie selber wüssten es besser. Wenn sie sich nicht den Bedürfnissen anderer anpassen und lernen mussten, häusliche Pflichten zu erledigen, die Genauigkeit erfordern, oder wenn sie sich zu Hause bei den Eltern nicht mit den Folgen ihrer eigenen Fehler und Probleme auseinandersetzen mussten, glauben sie vielleicht, dass sie sich Älteren, die andere Ansichten von der Ausführung einer Aufgabe haben, widersetzen oder sie berichtigen sollten.
Bei einer interkulturellen Untersuchung von ame rikanischen und japanischen Schülern wurden die Unterschiede in den Assoziationen der Schüler zu einem Bild erforscht, das gewöhnlich bei einem psychologischen Test zum Erfassen emotionaler Probleme und Motivationen bei Kindern verwendet wird. 15 Auf dem Bild sieht man einen Jungen, der eine Geige betrachtet,
die vor ihm auf dem Tisch liegt. Die Testperson wird gebeten, ihre Fantasie spielen zu lassen und mithilfe einer Geschichte zu erläutern, was auf dem Bild geschieht. Eine Untersuchung von 17- und 18-jährigen Schülern an öffentlichen Schulen in Japan und an den zehn besten öffentlichen Highschools in Kalifornien förderte beträchtliche Gegensätze zutage. Beim Vergleich von 85 Geschichten aus jedem Land standen bei den japanischen Geschichten Leistung und Kreativität im Vordergrund, während es bei den Geschichten der amerikanischen Jugendlichen überwiegend um elterlichen Druck und Widerstand ging.
Es folgt die typische Geschichte eines Amerikaners:
»Ich hasse die Schule. Sie ist so langweilig«, dachte der Junge. »Schon wieder eine Musikstunde. Warum will Mama, dass ich Geigenstunden nehme? Ich kann nicht so gut spielen, wie der Lehrer es sich von mir wünscht.« … Er konnte die langen, kalten Schulflure nicht ausstehen. Die unfreundlichen Lehrer schimpften ihn immer wegen allem Möglichen aus. 16
Die japanischen Geschichten waren das Gegenteil der amerikanischen. Sie tendierten dazu, nicht die negativen Seiten der harten Arbeit, sondern ihren Sinn oder die Motivation dahinter und den möglichen Erfolg in den Vordergrund zu stellen. Meist kombinierten die Geschichten den eigenen Leistungswillen des Kindes mit einem Gefühl der Wertschätzung für die Familie. Ein junger Mann schrieb beispielsweise:
Er betrachtet die Geige, die ein Andenken an seinen Großvater ist. Er denkt an seinen Großvater und
spricht mit seinem Geist. Er wird üben und als Geiger großen Erfolg haben.
Und ein japanisches Mädchen schrieb:
Der Junge gilt als musikalisches Wunderkind. Er hat lange geübt, und der Kopf tut ihm weh. Er massiert sich die Schläfen. Seine Kopfschmerzen gehen nicht weg. Da er an den Rat seiner Mutter denkt, nicht zu hart zu arbeiten, wird er eine Tablette nehmen und schlafen
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