Wenn Eltern es zu gut meinen
Kinder so viele romantische Komödien und Spielfilme gesehen, dass sie eine fantastische, idealisierte Liebe für möglich halten. Bei so viel Fantasie kann eine romantische Begegnung mit einem potenziellen Partner oder Liebhaber ein wenig so sein, als würde man in eine psychotische Projektion geraten: Das idealisierte Selbst begegnet dem idealisierten Selbst, und beide Menschen fühlen sich wie Götter.
Teenager und junge Erwachsene der Generation Ich sind so begierig nach romantischer Liebe wie die Babyboomer, aber die Generation Ich ist zynischer und schneller frustriert, wenn es darum geht, den Richtigen oder die Richtige zu finden. Wer bei »Ich bin okay, du bist okay«-Eltern aufgewachsen ist, will vor allem einen Seelenpartner finden, der den eigenen Wert schätzt. Gelingt das nicht, kann man sich in Zynismus flüchten und findet viel Unterstützung bei den eigenen Freunden.
Selten wird in unseren Medien gezeigt, wie sich Romantik in Liebe verwandelt. Als in der von Sehnsucht triefenden Fernsehserie Sex and the City am Ende Liebe eingeführt werden sollte, war das Drehbuch flach und nicht überzeugend. Statt den Weg von der Romantik über die Desillusionierung zur Nähe zu beschreiten, gingen die Paare in der Serie immer wieder auseinander, weil sie niemanden finden konnten, der sich für die Idealisierung eignete. Wenn wir nach jemandem Ausschau halten, der uns aufs Podest stellt oder den wir aufs Podest stellen können, sind wir auf Romantik, nicht auf Liebe aus.
Heutzutage heiraten junge Menschen in Amerika später als jede Generation vorher, oft erst Anfang oder Mitte 30. Vor der Ehe haben sie gewöhnlich eine Reihe fester Beziehungen, die alle zwischen zwei und zehn Jahren dauern können, hinter sich, eine Art Minischeidungen. Ein Ergebnis heutiger Formen des Sichkennenlernens, des Zusammenwohnens und der höheren Scheidungsrate ist, dass über ein Drittel der jungen Menschen zwischen 25 und 29 allein oder mit einem Mitbewohner leben. In einigen Städten verbringen Erwachsene mehr als ihr halbes Leben allein. Und in der Altersgruppe der 25- bis 39-Jährigen gibt es mehr unverheiratete Männer als unverheiratete Frauen, was für eine gewisse Chancengleichheit bei der Einsamkeit sorgt. 14 Natürlich werden dadurch Ängstlichkeit, Depression und Süchte geschürt. Zieht man von einer romantischen Beziehung zur nächsten, ohne zu wissen, wie man sie in Liebe verwandeln kann, ist das erschöpfend und emotional auslaugend.
Wenn Menschen eine romantische und gleichzeitig sexuelle Beziehung eingehen, wie es gewöhnlich der
Fall ist, entwickeln sie auch eine emotionale Bindung, und dann werden die Gefühle ernst. Wie schon an früherer Stelle erwähnt, ist eine emotionale Bindung die Erfahrung, sich mit einem anderen zu identifizieren - das Gefühl, dass das eigene Überleben von der Verbindung mit dem anderen abhängt. Wenn wir uns einen Sexualpartner suchen, gehen wir eine gewisse Bindung mit diesem Menschen ein. Bei einem Paar, das mehrmals miteinander geschlafen hat, entsteht eine »Paarbindung«. Dann entwickelt sich (genau wie in der Kindheit) die Tendenz, sich mit dem Partner zu identifizieren und wissen zu wollen, wo er sich aufhält. Je öfter wir mit jemandem schlafen, desto stärker wird die Bindung, und dann entsteht bei einer Bedrohung der Bindung Trennungsangst - auch wenn wir mit der Überlegung, die Beziehung zu beenden, selbst für die Bedrohung sorgen. Deshalb werden Menschen wütend, wenn sie herausfinden, dass ihr Partner sie mit jemand anderem betrogen hat, selbst wenn sie den Partner nicht mehr attraktiv finden. Protest oder Wut ist der erste Ausdruck von Trennungsangst, gefolgt von Verzweiflung, Depression und schließlich Apathie.
Wenn feste Paare im Teenager- oder Erwachsenenalter in der Phase der Bedrohung ihrer Beziehung stecken, werden sie, bevor sie auseinandergehen, oft von Wellen der Wut, Verzweiflung und Apathie überrollt. Bei der Auflösung einer engen Verbindung machen die Partner eine Trauerphase durch - die schmerzhafte körperliche und/oder emotionale Erfahrung des Verlusts. Unsere heranwachsenden Kinder müssen begreifen, dass sie mit jemandem, mit dem sie eine romantische und sexuelle Beziehung haben, instinktiv eine emotionale Bindung eingehen. Aus der Sicht unseres Bindungsinstinktes
gibt es so etwas wie »freien Sex« nicht. Biologisch schützt diese Bindung die Familie, die aus der Sexualität hervorgehen könnte. Die Paarbindung in einer romantischen Beziehung
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