Wenn Eltern es zu gut meinen
nichts anderem zufriedenzugeben. Doch wie ich bereits an früherer Stelle ausgeführt habe, gibt es keinen endgültigen Punkt im Leben, von dem aus wir beurteilen können, ob wir den richtigen Weg eingeschlagen oder den richtigen Partner gewählt haben. Unser Leben entfaltet sich aus unseren Entscheidungen heraus, aber wir wissen nie genau, ob wir die allerbesten getroffen haben.
Neulich sah ich einen Dokumentarfilm über den Architekten Frank Gehry, dessen spiralförmig verschlungene und bizarr geknickte Gebäude erfolgreich das Aussehen unserer Städte und die Geschichte der amerikanischen Architektur verändert haben. 5 Gehry, der mittlerweile in den Siebzigern ist, war davon überzeugt, dass er genauso gut hätte Pilot werden können. Er interessierte sich für die Fliegerei ebenso wie für die Architektur, aber in seiner Jugend bot sich ihm keine große Gelegenheit zum Fliegen, während das Schicksal ihm den Weg zur Architektur ebnete, auch wenn er ihn nur widerstrebend betrat. Gehry bereute nicht, Architekt geworden zu sein; dennoch stellte er fest, dass es nur eine Wahlmöglichkeit unter vielen war. Sein Leben wurde durch seine Entscheidung erheblich beeinflusst, aber er war sich sicher, dass er auch mit einer anderen Entscheidung hätte glücklich werden können. Er hat vermutlich Recht, wenn man Untersuchungen über Reue glaubt.
Reue ist eine Art Trauer über ein negatives Resultat, das wir unserer Meinung nach hätten verhindern können. Da Reue sehr wehtut, wollen wir sie möglichst umgehen. Viele Menschen haben ausgesprochen falsche Vorstellungen von der Reue. Beispielsweise glauben sie, dass sie mehr Reue oder Bedauern empfinden, wenn sie von Alternativen zu den von ihnen getroffenen Entscheidungen erfahren, wenn sie einen schlechten Rat befolgen und einen guten Rat in den Wind schlagen oder wenn ihre schlechten Entscheidungen unkonventioneller statt konventioneller Art waren. Menschen benutzen diese falschen Vorstellungen, um Entscheidungen zu treffen. Aber nur eine Faustregel gilt als verlässliche Empfehlung, wenn man Reue vermeiden will. Untersuchungen zeigen, dass Menschen jeden Alters und aus allen Schichten und Berufen am meisten das bereuen, was sie nicht getan haben. Mit anderen Worten: Menschen sind weniger traurig über das, was sie getan haben und was schiefging, als über das, was sie unterlassen haben (aber tun wollten) - beispielsweise eine weitere Ausbildung zu machen, eine günstige Gelegenheit wahrzunehmen, genug Zeit mit den Menschen zu verbringen, die sie lieben. 6 Einer der Gründe dafür, dass Menschen ihre Unterlassungen mehr bereuen als ihre Taten, ist, dass es unserem psychischen Immunsystem schwerer fällt, Unterlassungen realistisch zu beurteilen.
Wenn wir Dinge tun, die wir später bereuen - dass wir unsere Ersparnisse für einen verregneten Urlaub auf einer griechischen Insel ausgegeben haben -, können wir uns mit Rationalisierungen trösten (»Schließlich war es nur Geld, und ich musste keine Angst vor einem Sonnenbrand haben«). Aber wenn unsere Unterlassungen
ein Gefühl mangelnder Erfüllung zur Folge haben, können wir uns nicht damit trösten, was wir daraus gelernt haben. Man lernt nichts, wenn man seinen Wünschen niemals nachgeht.
Wenn im Leben Ihres Kindes ein Problem auftritt, das es von seinem Alter her bewältigen kann, ermutigen Sie es, es anzupacken und zu versuchen, es zu lösen. Hat es Erfolg, sollte es seine Belohnung direkt aus der Situation und nicht aus Ihrem Lob beziehen. Laufen die Dinge schief oder nicht so, wie Ihr Kind es sich wünscht, erlauben Sie ihm, sich mit den negativen Gefühlen und Folgen auseinanderzusetzen, während Sie es durch Ihre Zuversicht unterstützen (»Ich bin sicher, dass du damit fertig wirst«). Dem Kind direkt oder indirekt zu vermitteln, dass es stark genug ist, mit den Schwierigkeiten fertig zu werden, verhilft ihm zur Entwicklung eines gesünderen psychischen Immunsystems. Impfen Sie Ihr Kind gegen die Überzeugung, dass sein Glück hauptsächlich von außen kommt - seinem Aussehen, seinen Zensuren, seinen sportlichen Erfolgen -, denn das wird nicht der Fall sein.
Menschen, die im Schatten der Selbstwertfalle leben, empfinden das Glück als noch flüchtiger als alle anderen. Sie leiden unter dem Trugschluss, dass Ruhm, Ansehen, Status oder Reichtum sie glücklich machen sollten. Das führt zu einer dreifachen Enttäuschung. Erstens werden sich ihre Träume vom außergewöhnlichen Erfolg meist nicht realisieren,
Weitere Kostenlose Bücher