Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
Vom Netzwerk:
heißen, dass uns jemand aus Deutschland bis hierher ans Ende der Welt verfolgt hat?«
    »Vielleicht ja auch nur dich?«, sagt Hultmann.
    »Vielleicht. Aber müsste ich dann nicht wenigstens den Hauch einer Ahnung haben, wieso?«, frag ich zurück. Meine Verzweiflung ist nicht zu überhören und sie ist echt.
    Mieto übersetzt für die russischen Grenzsoldaten. Einer von ihnen starrt mich ununterbrochen an. Also starren nicht nur die Finnen. Ab jetzt starre ich zurück, beschließe ich.
    Hultmann gibt seine neugierige Frage an mich weiter. »Er will wissen, seit wann du läufst.«
    »Riski trainiert mit mir. Wieso?«
    »Er hat dich laufen sehen.«
    »Wie denn? Wann denn?«
    »Na, mit dem Fernglas. Er hat die zweite Leuchtkugel abgeschossen. Er sagt, deine Leistung wär olympiareif, und der Mann kennt sich aus.«
    »Quatsch, ich lauf erst seit ein paar Wochen. Ich hatte einfach nur Todesangst und bin um mein Leben gelaufen.«
    Der Russe starrt noch intensiver. Nur Kommissar Mieto toppt ihn. Wenn das so weitergeht, fallen zwei Paar Augäpfel aufs Eis und frieren fest. Er sagt was zu dem Russen.
    »Spricht Mieto karelisch?«, fragt Beck leise.
    Hultmann, der Übersetzer, nickt. »Ihr sollt heute um 14:30 zu uns ins Lapin poliisilaitos in die Ivalontie  10 kommen.«
    »Machen wir«, sagt Beck.
    Wir! Wir kommen ihm näher und er uns!
    »Was geschieht mit …« Aus dem schwarzen Loch im Eis spritzt Wasser heraus. In der Stille hört man Murmeln und Glucksen, als würde jemand aus dem Loch heraus zu uns sprechen. Ich dreh den Kopf weg.
    »Wenn wir Glück haben, hat er sich mit dem Schneemobil verheddert. Falls nicht, wird er unterm Eis abgetrieben. Dann werden wir ihn nie mehr finden.« Hultmann wischt mit einem seiner gefütterten Handschuhe den vollgewehten Sitz frei und schwingt sich auf sein Schneemobil. »Hätte dir auch passieren können. Das war ganz schön gefährlich.«
    Jetzt starren mich alle an: Hultmann, Mieto, die Russen, Beck, Paolo und Kolja.
    Ist mir aber nicht passiert. Zum Glück, denke ich, kneif die Augen zusammen und ticke aus. »Er hat mich gejagt!Deshalb ist er mit dem Schneemobil da reingerast.« Ich deute auf das Loch. »Seine Mordabsicht hat ihn da reingetrieben. Nicht ich.« Ich fühle mich nicht schuldig. Aber ich bin auch nicht froh. Erleichtert vielleicht.
    Wir fahren zurück ins Camp. Kolja, Paolo und ich haben frei. Offiziell frei. Für Gerechtigkeitsfanatiker schwer zu akzeptieren. Nach Sam, Nils und Cem platzt Ben stinksauer bei uns herein: Scheiße, kommt raus, faule Hunde! Paolo schubst und schiebt ihn vor die Tür und schließt ab. Endlich haben wir unsre Ruhe.
    »Beck ist auf unsrer Seite«, sag ich, schmeiß mich auf mein Bett und lächle.
    »Vielleicht ist deine Idee nicht schlecht«, gibt Kolja aus seiner Koje heraus zu bedenken.
    »Welche? Dass wir una famiglia werden?«, fragt Paolo gerade so, als ob das die abwegigste aller kranken Ideen wäre.
    »Von Familie sprichst du «, sagt Kolja. »Ich rede von aufs Land ziehen. Zu Beck. Wir drei.«
    »Keine schlechte Idee«, stimmt Paolo zu. »Wo aufs Land?«
    »Keine Ahnung«, hör ich Kolja sagen.
    Ich halte die Luft an. Ich habe keine Ahnung, wo Beck wohnt.
    »Ist ja auch egal. Stadt, Land, Fluss. Hauptsache Gefahr, ich liebe den Nervenkitzel«, sagt Paolo und gähnt.
    »Was soll ’n das heißen?«, will Kolja wissen.
    Ich höre, dass er sich in seiner Koje aufrichtet. Sehen kann ich weder ihn noch Paolo.
    »Mit Tilly lebt man gefährlich.«
    »Quatsch«, widerspricht Kolja. »Mit Beck sind wir drei Männer. Sie ist das einzige Weib weit und breit.« Paolo lacht leise, und Kolja fährt begeistert fort: »Das heißt, wir haben eine Bedienung. Umsonst!«
    »Ich will nicht mehr mit euch zu Beck«, sag ich gleichgültig.
    »Lüg nicht.« Ich kann hören, dass Paolo grinst.
    Dann wird mein Türvorhang zur Seite gelüpft und die grinsenden Fressen von beiden tauchen auf. Paolos Fresse über Koljas mit breitem Froschgrinsen.
    Ohne mein Zutun ziehen sich auch meine Mundwinkel in Richtung Ohrläppchen.
    Bei dem Gewehr, das hat die ballistische Untersuchung laut Hultmann bestätigt, handelt es sich um dieselbe Waffe, mit der Sandra erschossen worden ist. Keine Fingerabdrücke, erzählt er bereitwillig weiter. »Hat er Handschuhe getragen?«
    Ich antworte nicht, schüttle nur den Kopf. Hab ich mich etwa hingestellt und kühl in den Lauf seines Gewehrs geblickt, um nachzusehen, ob er Handschuhe anhat oder nicht? Ich bin definitiv nicht

Weitere Kostenlose Bücher