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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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lebensmüde, das weiß ich jetzt ganz sicher von mir. Ich halte an meinem Leben fest. Ich will leben! Und nicht nur das: Ich will ein besseres und ganz anderes Leben leben als das Hundeleben, das ich in- und auswendig kenne.
    Eetu Mieto, der Mann mit den Fischaugen, der niemals blinzelt, Mieto, der penetrant starrende Kommissar der Mordkommission Lappland, redet irgendetwas in seiner finnischen oder karelischen Geheimsprache daher.
    Hultmann übersetzt: »Finnische und russische Grenz-Suchtrupps haben mit Echolot das Schneemobil und den Vermissten geortet. Das Schneemobil hängt fest, aber der Körper entfernt sich unterm Eis immer weiter von der Grenze. Die Identifizierung erfolgt, wenn die Strömung einen Tauchgang unterm Eis erlaubt und wir ihn rausholen können.«
    Das klingt zuversichtlich. »Erfahren wir dann, wer es ist?«
    »Im eigenen Interesse. Wir setzen darauf, dass wir von euch etwas über die Motivation des Täters erfahren«, sagt Hultmann.
    Das hoffe ich auch. Aber wie?
    Paolo, Kolja und ich verfolgen unser  – nunmehr  – gemeinsames Ziel mit Nachdruck. Wir laden Beck nach dem von Misstrauen geprägten Informationsaustausch oder Verhör oder Gespräch auf dem Kommissariat in Ivalo ins Restaurant des Hotelli Inari in Inari ein. Das liegt am westlichen Ufer des Inarijärvi, knappe vierzig Kilometer weiter in nördlicher Richtung. Nach der schönen Fahrt durch die gleißende Schneelandschaft verspeisen wir einträchtig Inarisee-Maränen mit Blick auf die endlose, vereiste Fläche des Inarisees.
    »Ich bin jetzt wieder ruhiger«, sag ich beiläufig und pule die Gräten aus meinem Fisch.
    »Kann sein, dass du das so empfindest«, sagt Paolo und schnappt mir meinen Teller weg. »Mich macht es unruhig, was du mit dem Fisch anstellst.« Er zerlegt ihn fachmännisch. »So, da sind keine Gräten mehr drin. Du brauchst den edlen Fisch also nicht mehr zu zermusen.«
    »Papa-Paolo«, kiekst Kolja und schiebt ihm seinen Teller zu. »Kannstu bei mir auch?«
    Ja, Paolo führt uns in die Anatomie der Fische ein und erklärt dazu geduldig ein paar Benimmregeln bei Tisch.
    »Danke, Spießer-Papa-Paolo«, säuselt Kolja.
    Beck lacht sich schlapp über die Verbindung von Paolo und Spießer. Er hat seinen Spaß mit uns und keine Ahnung, dass er in die Vorführung des Theaterstücks »Drei herzige Kinderchen suchen ein Zuhause« geraten ist. Unser Werbefeldzug für uns selbst läuft auf Hochtouren. Am Ende wird er uns bei sich aufnehmen, da bin ich mittlerweile ziemlich sicher, doch ansprechen will ich es noch nicht.
    »Wir wollen zu dir, wenn das Camp vorbei ist«, sagt Kolja. »Wir alle drei.«
    Was labert der Idiot? Ich fass es nicht! Jetzt glotzt er Beck auch noch an wie ein bettelnder Hund! Ein Blick auf Paolo, und es ist klar, er ist genauso überrumpelt wie ich.
    »Ah, daher weht der Wind.« Beck ist enttäuscht, das ist ihm anzusehen. »Nee, mein Lieber. Kann sein, dass ich dir hartherzig vorkomme, aber für eine Einladung zum Fischessen ändere ich mein Leben nicht.«
    »Entschuldigt uns, ich muss Kolja mal zeigen, was Schnee ist.« Ich zerr den Depp am Arm vor die Tür. »Das war taktisch unklug bis saublöd. Nächstes Mal sprichst du so einen Vorstoß mit Paolo und mir ab. Okay?«
    Kolja bibbert, nickt, und wir gehen wieder rein ins Warme.
    »Tilly hat gesagt, wir werden dich so lange und beharrlich mit unseren hart erworbenen Schlüsselqualifikationenbearbeiten, bis dein Widerstand dahinschmilzt«, sagt Kolja zu Beck, grinst, und vertilgt eine Röstkartoffel.
    Kolja ist der Arsch von einem Spieler, der vor dem Spiel die Karten offen auf den Tisch legt.
    »Eure Schlüsselqualifikationen wollt ihr zum Einsatz bringen, soso.« Beck klingt ansatzweise versöhnt. »Vorher schmelzen die Polarkappen, das ist euch klar?«
    Paolo vergisst seine guten Manieren: »Ingt, afätten Bier ne Fette am faufn?«
    »Hä? Bier saufen?« Spinnen jetzt alle?
    Kau. Würg. Schluck. Paolo wieder: »Klingt, als hätten wir ’ne Wette am Laufen.«
    Vor dem Fenster färben grüne Polarlichtschleier den Inarisee ein. Ich nehme es als gutes Zeichen, blinzle meine Tränen weg und studiere intensiv das abstrakte Muster aus Fischbratfett und Moltebeerensoße auf meinem Teller.
    Die Polarlichter vergehen.
    Die Nacht geht vorüber. Die Tage, die folgen, vergehen von Mal zu Mal schneller. Es kommt eine neue Nacht, ein paar Minuten länger, gefolgt von einem Tag, der noch schneller vergeht. Und so weiter. Paolo, Kolja und ich hängen fast

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